Ansprache am 24.12.2021: Rettung im Verborgenen

Ansprache in der MehrWegGottesdienst-Zoom-Andacht vom 24.12.2021 - www.mehrweggottesdienst.de

O du fröhliche! So hat der Windsbacher Knabenchor gesungen. Kein donnerndes Jubellied mit Pauken und Trompeten. Eher ein verhaltenes, ja zartes Lied.

In dieser Heiligen Nacht, im Stall an der Krippe, da verstummen die lauten Töne. Da werden wir still, andächtig. Spüren dieses Wunder von Weihnachten: Ein Kind ist geboren! Gottes Sohn, so werden sie ihn später nennen.

Menschensohn, so nannte er sich vermutlich selbst lieber, in Anspielung an ein Prophetenwort.

Alles, alles scheint auf diesen einen Moment hinzulaufen, in dem sich das Schicksal der Welt kristallisiert.

Das einst stolze Reich Israel mit den sagenumwobenen Königen Saul, David und Salomo, 1000 Jahre war das her. Die Worte der Propheten, die vom Retter sprachen, den Gott schicken würde, ein Nachkomme Davids sollte es sein, aus der kleinen Stadt Betlehem. Die Besetzung durch die Römer, die Hoffnung darauf, dass Gott nun endlich, endlich kommen würde, sie befreien würde, Israel wieder groß machen würde. Bestimmt würde der neue König alles hinwegfegen, die Römer persönlich aus dem Land treiben, sich auf den Thron Davids setzen – und dann, dann wäre endlich wieder Frieden. Dann wäre alles wieder gut.

Eigentlich ist heute praktisch alles anders. Aber ehrlich: Auch ich wünsche mir manchmal einen, der so richtig aufräumt. Eine, die dieses Virus endlich wegfegt. Eine, die die Kriege in Syrien und so vielen Orten auf der Welt beendet. Einen, der die Spannungen zwischen der Ukraine und Russland löst. Eine, die all den Menschen auf der Flucht Schutz und Heimat bietet. Einen, der den Hass und die Falschmeldungen auf Facebook löscht und zurückdrängt. Eine, die den Klimawandel aufhält, einfach so.

Dann wird Friede sein, endlich. Dann wird alles wieder gut. Schalom, das heißt: Friede. Alle sind versöhnt. Gott, Mensch und Natur.

Ein großer, starker König würde es sein, der da kommt, so dachten sie damals. So stellen auch wir uns das manchmal vor. Doch was war das?

Maria brachte ihren ersten Sohn zur Welt.

Sie wickelte ihn in Windeln

und legte ihn in eine Futterkrippe.

Denn sie hatten in der Herberge keinen Platz gefunden.

Der König, der Retter der Welt, der, auf den die ganze Geschichte Israels zuläuft – geboren in einem Stall! Kein Seidenbettchen, nein, eine Futterkrippe ist sein erstes Bett. Und ganz ehrlich: Schon mal einen Stall gesehen, der so heimelig und schön ist wie die, die wir unter unseren Weihnachtsbäumen stehen haben? Im Gestank und Dreck, zwischen den Tieren, ganz unten: So kam die Rettung in die Welt. O du fröhliche, aber ganz zart, ganz leise, kaum wahrzunehmen im Lärm und Gestank der Welt. Kein starker König, der von oben herab alles anordnet. Kein Frieden, wie ihn die Römer verordneten, die einfach alle kreuzigten, die es wagten aufzubegehren, manchmal Hunderte an einem Tag. Kein unterdrückter Friede.

Klein, unscheinbar, heimatlos, ohne ein Bett: So kam Gott in die Welt, erzählt Lukas. Mag sein, dass die Geschichte nur von ihm erfunden wurde – das, was er damit sagen will, diese tiefere Wahrheit bleibt und sie berührt uns Jahr für Jahr neu seit zweitausend Jahren: Das große Wunder, dass Gott sich selbst klein macht, dass Gott selbst ganz unten anfängt, im Stall, unbeachtet von der Welt. Jahrzehnte später wird er wieder so enden: Klein und klein gemacht von den Mächtigen der Welt, als Verbrecher am Kreuz. Doch heute ist das Zukunftsmusik. Heute stehen wir an dieser Wegkreuzung der Geschichte Gottes mit der Welt. Heute können wir nur staunen. O du fröhliche! Sanft, zart, vorsichtig kommt die Freude in uns auf.

Vorsichtig, andächtig stehen wir in Gedanken da, im stinkenden Stall. Sehen dieses Wunder, das jedes neue Leben ist. Sehen das noch größere Wunder: Gott kommt. Mitten hinein ins Leben.

Ändert das was?

Hat es was geändert in den 2000 Jahren seitdem?

Ich will ehrlich sein, zu mir selbst und zu euch:

Zu oft waren die, die versuchten, dem Kind nachzufolgen, selbst betrunken von Macht.

Zu oft haben die, die doch diesem Kind vertrauen sollten, den Blick abgewendet von der Krippe.

Zu oft haben sie das Vertrauen derer verspielt, zu denen sie gesandt waren.

Viel zu oft hat auch das Leben uns grausam mitgespielt. Mir. Dir. Enttäuschungen, Streit, Krankheit, Versagen, jetzt noch Corona.

Maria brachte ihren ersten Sohn zur Welt.

Sie wickelte ihn in Windeln

und legte ihn in eine Futterkrippe.

Denn sie hatten in der Herberge keinen Platz gefunden.

Vielleicht, vielleicht hilft es mir, den Blick nicht abzuwenden von diesem Kind in der Krippe.

Mich wieder neu anrühren zu lassen von dem Satz: Gott kommt mitten hinein in diese Welt.

Auch zu mir will er kommen.

Zu dir.

Er macht nicht gleich alles mit einem Schlag gut. Darauf warten wir jetzt schon 2000 Jahre und eher scheint alles schlechter zu werden.

Aber: Dieses Kind in der Krippe, es schaut uns an. Es sagt mir und dir: Du kannst das. Du kannst da, wo du bist, Liebe verbreiten. Hoffnung. Fröhlichkeit. Du musst nicht perfekt sein. Du darfst dich auch mal total down fühlen, ganz unten. Das war ich auch, am Anfang und am Ende meines irdischen Lebens.

Aber: Schau auf mich. Schau auf das Wunder: Gott ist in der Welt. Und er verspricht:

Alles wird gut.

Amen.