Ansprache beim MehrWegGottesdienst am 15.10.: Hier stehe ich, ich kann nicht anders

Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.

Was für ein Satz! Was für eine Kraft, für eine Unbeugsamkeit! Da steht dieser kleine Mönch aus dem unbedeutenden Wittenberg vor dem Reichstag in Worms, vor den versammelten Fürsten und Bischöfen, und wird verhört. Und eigentlich ist ihm klar: Entweder, er widerruft alles, was er bisher geschrieben und gesagt hat, oder aber es geht ihm an den Kragen. Womöglich muss er sogar mit dem Leben dafür bezahlen.

Wort in den Tag: Weniger Angst!

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!

Die Zeit der Neujahrsvorsätze ist eigentlich schon vorbei. Aber in dieser Woche mache ich Ihnen trotzdem noch ein paar Vorschläge für das neue Jahr. Heute: Weniger Angst.

Angst scheint ja das Wort des Jahres zu werden. Angst vor Terror, Angst vor den politischen Verwerfungen in der Welt, Angst vor Krankheiten und Misserfolgen im eigenen Leben.

In der Bibel steht was anderes. Kein Satz kommt so oft vor wie dieser: „Fürchtet euch nicht!“

Weihnachtspredigt 2016: Fürchtet euch nicht!

Liebe Gemeinde!

Frohe Weihnachten! Können wir uns das überhaupt noch aus vollem Herzen gegenseitig wünschen? Wenn ich mir ansehe, was in diesem Jahr alles geschehen ist. Wie viel Krieg, Terror, Anschläge es gegeben hat. Wie viele Millionen Menschen auf der Welt auf der Flucht sind. Ich möchte gar nicht alles aufzählen, was dieses Jahr so geschehen ist. Und jetzt vor weniger als einer Woche dieser Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin. Frohe Weihnachten? Wirklich?

Wagenkirche: Urlaub - in Gottes Hand

So, Ulli, jetzt sind endlich Ferien! Die Kinder haben alle ihre Zeugnisse gekriegt und hoffentlich sind die auch gut.

Ja! Und jetzt geht’s los in der Urlaub.

Ja, dieses Wochenende gibt’s bestimmt wieder Rekordstaus auf allen Autobahnen. Alle wollen weg, ein bisschen ausspannen.

Hoffentlich wird es auch eine Zeit zum Ausspannen. Irgendwie ist ja jetzt immer die Sorge dabei, dass irgendwas passieren könnte.

Wort in den Tag: Gegen die Angst

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!

Letzte Woche habe ich ein kleines Buch wieder gelesen, das schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat. „Johannes“ von Heinz Körner, damals über eine Million mal verkauft. Die Kernaussage dieses Buches: „Du hast immer eine Wahl, was du tust oder lässt. Nur gehört zu dieser Wahl halt auch, die daraus resultierenden Folgen anzunehmen.“

Und, ganz ehrlich, haben sie nicht auch manchmal davor Angst? Was passiert, wenn ich mir heute frei nehme? Was passiert, wenn ich meinen Job ganz an den Nagel hänge und das tue, was ich schon immer tun wollte?

Wie oft hält uns nur unsere Angst zurück, das zu tun und der oder die zu sein, die wir eigentlich sein wollen und auch sein sollten? Wie oft hält uns unsere Angst zurück, mit uns selbst Frieden zu finden?

Dabei steht in der Bibel kaum ein Satz so oft wie dieser: Fürchte dich nicht!

Ich wünsche Ihnen, dass Sie heute Ihre Angst überwinden können, und dass sie etwas neues tun, das Sie schon immer mal tun wollten.

Ihr Pfarrer Heiko Kuschel von der Evangelischen Citykirche Schweinfurt.

Predigt: Ja ja!

Liebe Gemeinde!

Manchmal ärgere ich meine Kinder, indem ich auf alle Fragen nur noch Ja antworte. Oder nur noch Nein, was sich gerade anbietet. Irgendwann kommt dann: „Kannst du auch noch was anderes sagen außer Ja?“ Antwort natürlich: Ja.

Unsere Gespräche wären ziemlich langweilig, wenn wir das, was Jesus hier sagt, so wörtlich nehmen würden und unsere Sprache nur noch aus den zwei Wörtern Ja und Nein bestehen würde. So war das natürlich auch von Jesus nicht gemeint.

Predigt: Lebt in der Liebe!

Horst "Hotte" Kriegel aus Hamburg ist ein Typ, mit dem ich normalerweise wahrscheinlich nicht so gern Kontakt hätte. Vor dem hätte ich ziemlichen Respekt. Riesige Gestalt, Türsteher, Security-Mann. Er hat in seinem Leben schon ganz verschiedene Jobs gemacht und dabei ganz gut Geld verdient.
Für seinen neuen „Job“ seit Sommer bekommt Hotte kein Geld. Und trotzdem sagt er: „Ich habe in meinem Leben nie etwas Sinnvolleres gemacht.“

Ansprache beim MehrWegGottesdienst 17.2.2013: Überraschung!

- heute leider keine Aufnahme zum Nachhören -

Überraschung!

Ja, ich muss gestehen, der Papst hat mich überrascht. Und dass ich mal eine so wichtige Neuigkeit aus diesen Monitoren in der Stadtgalerie zuerst erfahren würde, hat mich fast noch mehr überrascht. Diese Überraschung ist Benedikt XVI wirklich gelungen. Lange geplant, so wie es aussieht, nun bekannt gemacht worden.

Manche finden's gut und richtig, manche können sich gar nicht damit abfinden. Unbequem ist es auf jeden Fall. Wir müssen uns auf Neues, Ungewohntes einstellen. Den gewohnten Trott verlassen. Neue Wege gehen, wo die alten doch vielleicht ganz bequem waren. Und was kommt nach? Vielleicht endlich mal ein Papst, der die Erneuerung der katholischen Kirche vorantreibt, wie manche meinen? Oder einer aus Afrika, der dann überraschenderweise für uns Deutsche noch viel konservativer wirkt als Benedikt XVI? Überraschung führt zu Unsicherheit.

Danke! Ich darf.

Ansprache beim MehrWegGottesdienst „Danke! Ich darf“ - Schweinfurt, 18.3.2012

Eigentlich dachte ich ja, wir hätten uns diesmal zur Abwechslung ein einfacheres Thema rausgesucht. Aber wie unser Team so ist: Wir haben so viele Aspekte besprochen, so viele Gedanken dazu gehabt, dass wir in diesem Gottesdienst wieder nur einen klitzekleinen Ausschnitt unterbringen konnten. Schon allein dieser Titel. Der besteht aus drei Wörtern. Jedes davon wäre für sich ja schon ein eigenes Thema: Danke. Was heißt das eigentlich, dankbar zu leben? Wo macht sich das bemerkbar. Dann „Ich“. Wer bin ich eigentlich? Was macht mich aus? Was kann ich, was sind meine Träume und Sehnsüchte? Und natürlich „darf“. Darf ich wirklich alles? Ist alles erlaubt? Wo sind die Grenzen? Und wenn ich weiß, was ich kann und was ich will: Muss ich das wirklich alles leben, oder habe ich auch die Freiheit, eine Begabung einfach brach liegen zu lassen, weil mir andere Dinge wichtiger sind?
Wir haben im Team wirklich darüber diskutiert, ob nicht die nächsten drei MehrWegGottesdienste alle „Danke! Ich darf“ heißen sollen, und wir jedes Mal einen der Aspekte intensiv betrachten. Und dann im vierten MehrWegGottesdienst in diesem Jahr den Punkt am Ende.

Haben wir dann aber doch nicht gemacht – und uns die Freiheit genommen, einfach vieles wegzulassen. Uns auf ein paar Dinge zu konzentrieren. Viel „Ich“ war da heute dabei, weil wir glauben: Das ist erst einmal eine zentrale Voraussetzung dafür, das „Dürfen“ überhaupt annehmen zu können. Erst einmal muss ich tatsächlich wissen, wer ich bin. Was ich kann. Was ich will. Denn sonst macht Freiheit nur Angst. „Hier, du darfst alles tun und lassen, was du willst!“ - das kann nämlich auch eine fürchterliche Überforderung sein. So völlig ohne Halt, ohne Leitlinien, in die endlose Weite gestellt zu werden. Wir können heute viel mehr unserer Wünsche verwirklichen als früher. Aber das hat unser Leben auch viel komplizierter gemacht. Ich sage immer als Beispiel: Geh in den Supermarkt und kauf Kekse. Da gab's vor 50 Jahren vermutlich eine Sorte mit und eine ohne Schokolade. Heute ist man eine halbe Stunde damit beschäftigt, das Angebot zu sichten. Und kann nie sicher sein, ob man auch wirklich das beste rausgesucht hat, und das auch noch zum günstigsten Preis.

Bei den Keksen ist es nicht so schlimm, denke ich. Aber es trifft ja auf ganz viele Bereiche zu. Die Berufswahl, die Partnerwahl. Kinder ja oder nein. Eine gefährliche Operation ja oder nein. Freiheit ist anstrengend.

Ich denke, das ist auch der Grund, warum extremistische Gruppierungen so attraktiv sind. Egal, ob religiös, politisch oder sonst irgendwas. Da sagt einem sozusagen jemand, welcher Keks der beste ist. Und alle anderen sind fürchterlich schlecht. Darüber kann man dann sogar Kriege führen. Nehmen wir ein ganz harmloses Beispiel: Handys. Mein iPhone ist das beste, alles andere ist Mist. Nein, mein Samsung Galaxy kann viel mehr und ist überhaupt das supertollste. Also, diese Predigt wird gerade mit einem Samsung Galaxy aufgenommen, aber ein iPhone könnte das glaub ich auch. Aber es macht die Welt, die eh schon so kompliziert ist, einfacher, wenn man sich an solche einfachen, klaren Botschaften halten kann.

Wir Christen haben eigentlich auch eine ganz einfache, klare Botschaft. Sie lautet: Gott liebt dich, und Jesus ist für dich gestorben und auferstanden.

Punkt.

Das wars.

Da steckt alles drin.

Leider ist das eine Botschaft, die für die eigene Lebensgestaltung nicht so wahnsinnig viel weiterhilft. Da steht eben nichts davon, welches Handy das beste ist, ob dieser Partner zu mir passt, welchen Beruf ich ergreifen soll oder welche Kekse ich kaufen soll. Hätte Gott das alles nicht viel einfacher gestalten können? Hätte er vielleicht. Hat er aber nicht. Er hat uns ein paar Regeln mit auf den Weg gegeben, klar. Zehn Gebote und solche Dinge. Aber die sind ja eigentlich schon fast Binsenweisheiten, dass man etwa niemanden umbringen soll, nicht stehlen soll und solche Dinge. Nein: Gott mutet uns Freiheit zu. Gott will, dass wir sie nutzen.

Auch die Erzählung von der Erschaffung der Welt beschreibt, wie Gott nicht einen Zaun um den Baum der Erkenntnis zog, sondern Adam und Eva zwar sagte, was gut für sie ist und was nicht, ihnen aber letztlich die Freiheit gelassen hat. Nur mit den Konsequenzen mussten sie dann halt auch leben – das war die Vertreibung aus dem Paradies.

Gott mutet uns die Freiheit zu. Martin Luther hat dazu den berühmten Satz geprägt: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemandem untertan.“ Toll. Ich bin mein eigener Chef. Ich kann tun und lassen, was ich will. Nur, wenn ich verantwortungsvoll leben will, merke ich schnell, wo die Grenzen sind: Bei meinem Gegenüber. Wenn ich dem weh tue, ihm oder ihr etwas wegnehme, dann beeinträchtigt das auch mein eigenes Leben.

Gemeinsam geht es besser. Und darum hat Martin Luther noch einen zweiten Satz geschrieben, der nur auf den ersten Blick dem ersten widerspricht: „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ In dieser Spannung müssen wir leben, verantwortlich leben: Dass wir wirklich frei sind. Aber dass wir darauf achten müssen, dass unsere Freiheit nicht die Freiheit der anderen beschränkt.

Im Galaterbrief heißt es über die Freiheit: (Gal 5,1): Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!

Da geht's zwar eigentlich um die Frage, ob Christen sich beschneiden lassen müssen. Heute sind die Fragestellungen andere. Aber der Schluss, den Paulus einige Verse später zieht, gilt weiter: in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.

Der Glaube, der durch die Liebe tätig ist. Ich glaube, das ist ein gutes Motto für ein Leben in Freiheit. Ich kann alles tun. Ich darf alles tun. Aber die Liebe ist es, die mich dabei leitet. Ich glaube, so kann ein Leben gelingen.

Amen.

Eurokrise, Teufel und das Reich Gottes

Predigt am drittletzten Sonntag im Kirchenjahr 2011

Schonungen, 6.11.2011

Text: Lk 11, 14-23
Und er trieb einen bösen Geist aus, der war stumm. Und es geschah, als der Geist ausfuhr, da redete der Stumme. Und die Menge verwunderte sich. Einige aber unter ihnen sprachen: Er treibt die bösen Geister aus durch Beelzebul, ihren Obersten. Andere aber versuchten ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. Er aber erkannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet, und ein Haus fällt über das andre. Ist aber der Satan auch mit sich selbst uneins, wie kann sein Reich bestehen? Denn ihr sagt, ich treibe die bösen Geister aus durch Beelzebul. Wenn aber ich die bösen Geister durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein. Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen. Wenn ein Starker gewappnet seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden. Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verließ, und verteilt die Beute. Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.

Liebe Gemeinde!

Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, als Sie diesen Predigttext gehört haben. Ich bin in Gedanken erst einmal an den Sätzen über das Reich, das mit sich selbst uneinig ist, hängen geblieben. Und musste natürlich an Europa und die aktuellen Probleme in der Eurozone denken. Ja: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet, und ein Haus fällt über das andere. Hoffen wir mal, dass es nicht so weit kommt, dass Europa verwüstet wird, das vermutlich nicht. Aber dass die Uneinigkeit der Politiker dazu führt, dass Europa in große Schwierigkeiten gerät: Das auf jeden Fall.

Nun nimmt ja Jesus aber dieses Beispiel nicht für etwas „Gutes“, das vernichtet wird. Leider muss ich Ihnen sagen: Nicht nur in Europa ist zur Zeit alles ziemlich kompliziert, sondern auch in unserem heutigen Predigttext. Also fangen wir von vorne an. Jesus heilt einen stummen Menschen, der fängt wieder an zu reden. Schön! Freuen könnte man sich darüber. Es geht ihm gut! Er kann wieder sprechen! Aber nein, so sind wir Menschen nicht. „Zauberei!“ schreien einige. „Der muss mit dem Teufel im Bund sein!“ Anscheinend trauen sie dem Teufel mehr zu als Gott. Seltsam. Und mit dem Beispiel, das Jesus nun bringt, von dem Reich, das mit sich selbst uneinig ist, führt Jesus ihnen vor, wie unsinnig das ist. Egal, was hinter dieser Heilung steht – freuen können sie sich auf jeden Fall. Wenn Jesus tatsächlich den Teufel mit Beelzebul austreiben soilte, können sie sich freuen, denn das heißt ja: Das Reich des Teufels ist mit sich selbst uneins und dadurch gewaltig geschwächt. Die Aktien des Teufels fallen ins Bodenlose. Er ist pleite. Ist doch super.

Der nächste Satz von Jesus ist ein wenig rätselhaft, das gebe ich zu: „Wenn aber ich die bösen Geister durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein.“ Offenbar gab es zur Zeit Jesu noch mehr Menschen, die heilten und „Geister austrieben“, wie man das damals nannte. Aber eigentlich ist das für unseren Text auch gar nicht so wichtig. Jesus sagt nämlich weiter: Wenn ich nicht durch Beelzebul die Geister austreibe, dann muss es doch wohl in Gottes Auftrag sein – und dann ist das Reich Gottes zu euch gekommen. Hier ist es, da, wo ich bin! Ein Zeichen vom Himmel fordert ihr? Hier ist das Zeichen – ich bin es selbst! Schaut euch doch um: Lahme gehen, Blinde sehen, den Armen wird das Evangelium gepredigt. Hier, wo ich bin, da ist das Reich Gottes! Und das heißt dann auch: Dieses Reich des Teufels, von dem ihr immer redet: Das hat nicht gut Lachen. Denn Gott ist der Stärkere. Sein Reich ist angebrochen. Das Ende des Reichs des Bösen ist nahe.

Bleiben für uns noch zwei Fragen zu klären: Die eine: Gibt es den Teufel überhaupt? Und die andere: Wenn Gottes Reich schon damals angebrochen ist, warum merken wir auch 2000 Jahre später so wenig davon?

Erst einmal zum Teufel. Die Bibel redet davon so selbstverständlich, wie sie auch etwa von bösen Geistern redet, die Menschen befallen. In der damaligen Vorstellungswelt war das etwas völlig Logisches. Für uns scheint es irgendwie weit hergeholt. Wir tun uns ja manchmal schon schwer mit der Frage, ob Gott überhaupt existiert. Auf der anderen Seite: Das Interesse an Engeln ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Gute, himmlische Mächte, die ein Auge auf uns haben: Ja, das sehen wir gerne. Ganz ganz viele Eltern suchen für ihre Kinder den Taufspruch aus: „Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen“. Aber böse Mächte? Da sträuben wir uns irgendwie. Das können wir nicht so annehmen.

Vielleicht müssen wir das ja auch nicht. Der „Teufel“ muss nicht unbedingt eine Person sein. Aber dass es das Böse gibt, das müssen wir zugeben. Und dass es eine ganz eigene Dynamik entwickeln kann, wissen wir alle. Wer hat sich nicht schon mal in einem ganzen Gebilde von Lügen verstrickt – ein ganz einfaches Beispiel. Viele Dinge sind aber viel komplexer und gar nicht so leicht zu durchschauen. Wir kaufen billige Klamotten im Angebot, weil wir uns ja die teuren Sachen gar nicht leisten können. Und irgendwie im Hinterkopf wissen wir schon, dass jemand anderes auf der Welt den Preis dafür bezahlt. Wenn wir ein T-Shirt für 4,95 kaufen, dann bedeutet das: Baumwollpflückerinnen in Indien, die für einen Hungerlohn 12 Stunden und mehr arbeiten und von den Pestiziden krank werden. Näherinnen, denen es nicht besser geht. Wenn wir E10 tanken in der guten Absicht, einen höheren Anteil Biosprit zu verwenden, kurbeln wir damit die Spekulation mit den Getreidepreisen an. Und irgendwo anders auf der Welt kann sich jemand das lebensnotwendige Getreide nicht mehr leisten und verhungert.

Sachzwänge, sagen wir gern. Die halten uns gefangen. Sie entwickeln fast schon so etwas wie eine eigene Persönlichkeit. Der Teufel? Ja, ich denke, so kann man das auch nennen.
Aber eigentlich dachte ich, dieser Teufel wäre mittlerweile besiegt. Sagt Jesus doch. Also unsere zweite Frage: Warum wird es nicht besser auf der Welt? War Jesus nur so eine Art Demoversion vom Reich Gottes? Hat er überhaupt etwas verändert?

Ja und nein. Ja: Er hat etwas verändert. Und nein: Es war doch erst einmal nur örtlich begrenzt. Wie viele hat er wohl geheilt? Lassen wir es ruhig 1000 Menschen sein. Und wie viele hätten seiner Heilung bedurft? Hunderttausende? Millionen? Wie viele bräuchten heute seine Heilung? Eher Milliarden, die auf ein menschenwürdiges Leben hoffen und denen es die teuflischen Lebensumstände nicht erlauben.

Also: Wo ist das Reich Gottes? Die Antwort darauf ist auch nicht so einfach, und irgendwie ist sie es doch: Es ist mitten unter uns. Da, wo wir es zulassen. Da, wo wir uns gegen die Einflüsse des Teufels stemmen, ob wir ihn nun als Person ansehen oder eher als etwas Abstraktes. Da, wo wir uns für eine gerechtere Welt einsetzen. Da, wo wir aufeinander achten. Da, wo wir Jesu Botschaft von Gottes Liebe weiterverbreiten. Zugegeben: Auch die Kirche hat da in den letzten 2000 Jahren manches falsch gemacht. Statt Liebe und Gerechtigkeit hat sie oft Macht, Angst und Unterdrückung verbreitet. Aber ich glaube: Wir sind heute auf einem guten Weg. Das Reich Gottes ist unter uns. Aber es ist nicht nicht vollkommen da. Das wird es erst am Ende der Welt sein. Auch, wenn das noch Tausende oder gar Milliarden von Jahren dauern sollte. Bis dahin lassen Sie uns daran arbeiten, dass es sichtbar wird unter uns.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.