Klänge in der Nacht: Die Texte

Lied: Abendlied (Jonathan Böttcher)

Mose an der Kanzel

Ich bin Mose. Vor über 300 Jahren stellte man mich unter diese Kanzel. Als ein Zeichen für die Menschen: Die Predigten hier, sie stehen auf dem Grund der Zehn Gebote. Die Predigten, die hier gehalten werden, sie fußen auf dem Alten Testament. Ihr habt gemeinsame Wurzeln mit dem Judentum. Manchmal, in eurer Geschichte, da wäre es gut gewesen, ihr hättet auf dieses Zeichen geachtet.
Ich bin Mose. Vor über 300 Jahren stellte man mich unter diese Kanzel.
Vieles habe ich erlebt in dieser Zeit.
Krieg und Zerstörung.
Naturgewalten, nah und fern.
Aufstände und Revolutionen.
Putsche und Regierungswechsel.
Das große Stadtverderben.
Unendlich große Trauer und Freude.
Taufen und Beerdigungen.
Hochzeiten und Trennungen.

Doch egal, was da kam in der Geschichte dieser Welt, dieses Volkes, dieser Kirche: Immer wieder, Sonntag für Sonntag, hörte ich davon, wie Gott die Menschen liebt. Auch dann, wenn die Menschen daran zweifelten angesichts ihres Elends und ihrer Not. Von Anbeginn an hält Gott die Welt in seiner Hand. Mag sein, dass sie nicht perfekt ist, diese Welt. Doch das Versprechen, das Gott schon mir damals gegeben hat, es gilt weiter: Ich bin, der ich bin. Ich werde sein, der ich sein werde. Ich bin bei euch bis ans Ende der Welt.

Psalm 90 

Herr, du bist unsre Zuflucht für und für. /
Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden,
bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Der du die Menschen lässest sterben
und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder!
Denn tausend Jahre sind vor dir /
wie der Tag, der gestern vergangen ist,
und wie eine Nachtwache.
Du lässest sie dahinfahren wie einen Strom, /
sie sind wie ein Schlaf,
wie ein Gras, das am Morgen noch sprosst,
das am Morgen blüht und sprosst
und des Abends welkt und verdorrt.
Unser Leben währet siebzig Jahre,
und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre,
und was daran köstlich scheint,
ist doch nur vergebliche Mühe;
denn es fähret schnell dahin,
als flögen wir davon.
HERR, kehre dich doch endlich wieder zu uns
und sei deinen Knechten gnädig!
Fülle uns frühe mit deiner Gnade,
so wollen wir rühmen und fröhlich sein unser Leben lang.
Erfreue uns nun wieder, nachdem du uns so lange plagest,
nachdem wir so lange Unglück leiden.
Zeige deinen Knechten deine Werke
und deine Herrlichkeit ihren Kindern.
Und der Herr, unser Gott, sei uns freundlich /
und fördere das Werk unsrer Hände bei uns.
Ja, das Werk unsrer Hände wollest du fördern!

Lied: Noch ehe die Sonne am Himmel stand

Station 2: Lukas an der Kanzel

Lukas ist mein Name. Ich habe die Geschichte Jesu niedergeschrieben in meinem Evangelium. Die Worte, die euch am bekanntesten sind, das ist wohl meine Erzählung der Weihnachtsgeschichte. Aus meinem zweiten Kapitel: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.“
Jahr für Jahr hört ihr diese Erzählung an Weihnachten. Doch damit beginnt mein Evangelium erst richtig. Ich habe euch erzählt von Jesus, so, wie er mir geschildert wurde. Ein Mensch, wie er menschlicher nicht sein könnte. Ganz und gar den Menschen zugewandt. Für die Armen, die Kranken, die Blinden und Gelähmten, die Verzweifelten, die Aussätzigen: Allen brachte er Heilung. Ja, ein großer Heiler war er. In seiner Nähe war Gottes Gegenwart spürbar wie nirgends sonst.

Manchen war das zu viel. Für manche war das bedrohlich. Es stellte ihre Lebenserfahrung auf den Kopf. Und so kam es, dass Jesus, dieser unvergleichliche Mensch, als Verbrecher hingerichtet wurde. Hört, was ich aufgeschrieben habe, wie es mir berichtet wurde:

Lesung: Lukas 23, 32-41

Es wurden aber auch andere hingeführt, zwei Übeltäter, dass sie mit ihm hingerichtet würden. Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum.

Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. 
Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König.

Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. 

Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! 
Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.
Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.

Der den Wein austeilt

Rudolf Otto Wiemer

Lied: Jesu meine Freude (Text: Gerhard Schöne)

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Station 3: Vierung der Kirche

Ein vertrauter Anblick für uns: Dieses Gewölbe. Wir kennen große Kirchen. Wir sind Größeres gewohnt. Doch wie mag es den Menschen gegangen sein, die es damals gebaut haben? Viel wagten sie mit dem Bau dieses heute ältesten Teils der Kirche. Gedrungene, erdverbundene Gebäude mit runden Bögen, so waren sie es aus der Romanik gewohnt. Dunkel, am besten ohne Fenster, damit das Böse nicht eindringen konnte. Doch nun: Himmelstrebende Säulen, die ein luftig anmutendes Dach in schwindelerregender Höhe tragen. Fenster, die Licht hereinlassen. Elegante Spitzen statt altmodischer runder Bögen. Spielerische Verzierungen überall. Keine Säule gleicht exakt der anderen. Statt dunkler Gedrücktheit herrscht hier fröhliche Offenheit. Ein Gefühl von Weite, ein Vorgeschmack des Himmels. Die Verbindung von Himmel und Erde. 

Die massiven und doch im Vergleich zu früher so schlanken Säulen: Das sind die Apostel und Propheten, die den christlichen Glauben tragen, Jesus ist der Schlussstein, der eine Mauer mit der anderen verbindet.

Ehrfürchtig geht der Blick nach oben. Weite, Größe und Erhabenheit: Ja, das ist ein Haus Gottes. Ein Abbild unseres Glaubens. Jesus macht unsere Herzen weit. Wir lassen unser Gebet aufsteigen zum Himmel.

Es muss doch noch irgendwo sein 

Marie-Luise Kaschnitz

Lied: Halleluja (Cohen)

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Kreuzigungsbild von Emil Scheibe

Gestatten, Emil Scheibe mein Name. Bis 1945 arbeitete ich als Kunsterzieher in Schweinfurt, damals war ich noch sehr unbekannt. Erst viel später gelangte ich als Künstler zu einigem Ruhm. Dieses Bild hier: Ich malte es im Jahr 1948. Wie es in die Sakristei der Gustav-Adolf-Kirche kam, kann keiner mehr genau sagen. Nun hängt es hier. Nicht der auffälligste Platz. Doch einer der wenigen, die so ein großes Bild aufnehmen konnten.

Schwer war die Zeit, damals, nach dem Krieg. Was hatten wir Deutschen für große Schuld auf uns geladen. Vieles hatten wir doch auch selbst gar nicht gewusst, na ja, vielleicht geahnt. Ich malte eine ganz normale Kreuzigungsszene – doch mit Menschen meiner Zeit, mit Menschen hier aus Schweinfurt. Maria, Maria Magdalena und Johannes.

 Seht ihr sie? Seht ihr das Mädchen da unten? Blond ist sie. So blond wie das Ideal der Nationalsozialisten. Und nun kniet sie da, beweint die große Schuld, die wir gegenüber dem Juden Jesus haben.Welch eine erschreckende Erkenntnis war es für uns: Die Konzentrationslager zu sehen. Die unvorstellbaren Zahlen zu hören. Alles Entsetzen habe ich in den Blick dieser Frau gelegt. Die Augen weit aufgerissen. Die Hand vorm Mund, die andere Hand rauft ihre Haare: Unsere Schuld, unsere große Schuld, hier am Kreuz des Juden Jesus.

Johannes

Ich bin Johannes. Aus diesem Bild spreche ich zu euch. Ich, der Mann im Hintergrund. Der Jünger, den Jesus liebte, so heißt es im Evangelium. Ja, Jesus liebte mich, wie natürlich auch die anderen Jünger. Doch irgendwie verband uns mehr. Eine Männerfreundschaft. Nicht nur Gefährten. Er war für mich einer, wie ich ihn nie wieder finden würde. Ein Vorbild. Ein Hoffnungsträger. Tiefe Gespräche haben wir geführt, oft bis spät in die Nacht. So zugewandt den Menschen, so offenherzig, so lebensfroh und doch ernsthaft wie Jesus – so einen Menschen gab es nur einmal. Alle Hoffnung hatte ich auf ihn gesetzt. Der Messias war er für mich. Der, der uns die Erlösung bringen würde. Ich war nicht so naiv zu glauben, es wäre die Erlösung von unseren Besatzern, den Römern. Nein, seine Erlösung ging tiefer. Es war eine Erlösung von allem, was uns band. Von den gnadenlosen Sachzwängen, die uns immer zu binden schienen. Von der Alternativlosigkeit, vor der wir oft zu stehen schienen. Wo andere ein entweder-oder sahen, ging er oft einen ganz anderen Weg. Wo andere am Ende waren, kam er und heilte sie. Nicht nur am Körper sondern zuallererst an der Seele.

Er war meine Hoffnung. All meine Hoffnung. Er war mein Leben. Und nun hing er da, am Kreuz. Als Verbrecher hingerichtet. Und selbst im Sterben fand er noch tröstende Worte. Er gab Maria einen neuen Sohn: Mich. Und mir gab er die Mutter, die ich nicht gehabt hatte.

Dennoch – mit seinem Tod schien alles aus für uns. Alles vorbei. Keine Zukunft mehr. Keine Hoffnung. 

Wann

Eva Zeller

Lied: Da wohnt ein Sehnen tief in uns 

Kruzifix im Chorbogen

Seit einhundert Jahren hängt es hier im Chorbogen: Das Kruzifix. Doch es ist viel älter. Seit 1484 war es Teil des damaligen Hauptaltars, ersetzte ihn später sogar eine Zeitlang, als dieser vermodert war. Dann verlor sich seine Spur. Erst 1911 zog man es aus einem Verschlag neben der Orgel hervor und hängte es hier auf. Über allem, was in dieser Kirche geschieht hängt nun er: Jesus am Kreuz.

Jesus am Kreuz: Für all das, was in unserem Leben falsch gelaufen ist. 

Jesus am Kreuz: Er, der von keiner Sünde wusste, hat unsere Schuld auf sich genommen, damit wir leben können.

Jesus am Kreuz: Wir meinten, wir könnten die Erde gestalten nach unserem Willen. Doch stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Die ganze Welt leidet. Millionen hungern. Eine Regierung bekämpft das eigene Volk. Atomare Strahlenwolken verseuchen ganze Landstriche. Und wir, wir sind gefangen in unseren kleinlichen Streitereien, Eifersüchteleien, unserem Streben nach Erfolg und Anerkennung. 

Jesus am Kreuz: Erbarme dich. Unsere ganze Welt leidet. Und du leidest mit – am Kreuz. Für uns.

Erdenball

Du, Erdenball,
der du ruhelos rollst durch das All,
hab dich so gern,
sorge mich so um dich, blauer Stern.
Ach, dein grünes Kleid wird brüchig,
und dein Atem stinkt,
trübe wird das Meer.
Atlasbär und Wandertaube,
Beutelwolf und Ur
gibt es schon nicht mehr.
Dein geliebtes Menschenkind
ist klug und so verwirrt,
herrlich und so schlecht.
Küsst und foltert, tanzt und wütet,
droht und wird bedroht
und erkämpft sein Recht.
Du, Erdenball,
der du ruhelos rollst durch das All,
hab dich so gern,
sorge mich so um dich, blauer Stern.
Allen deinen Menschenkinder
deckst du reich den Tisch.
Teilen fällt so schwer.
Hunger leiden noch die meisten,
andre werden reich,
werfen Korn ins Meer.
Und die schlimmsten deiner Kinder
spieln mit deinem Tod,
schöner Erdenball.
Doch die Menschen, die dich lieben,
stehn dagegen auf,
hier und überall.
Du, Erdenball,
der du ruhelos rollst durch das All,
hab dich so gern,
sorge mich so um dich, blauer Stern.
Ja, noch wechselt Frucht und Blüte,
sprießt auf Trümmern Gras,
legt sich Tau darauf,
ziehen Vögel ihre Bahnen,
redet Mensch zu Mensch,
geht der Samen auf.
Du, Erdenball,
der du ruhelos rollst durch das All,
hab dich so gern, sorge mich so um dich, blauer Stern.
(c) Gerhard Schöne/BuschFunk

Improperien I

Menschen stehen unter dem Kreuz. Gott fragt: Was habe ich dir getan, dass du gegen mich handelst? 

So spricht er zu uns durch den Propheten Micha:

Was habe ich dir getan, mein Volk, und womit habe ich dich beschwert? Das sage mir!
Habe ich dich doch aus Ägyptenland geführt und aus der Knechtschaft erlöst und vor dir her gesandt Mose, Aaron und Mirjam. Mein Volk, denke doch daran, damit ihr erkennt, wie der Herr euch alles Gute getan hat. O mein Volk!

Improperien II

So fragt uns Gott:

Was habe ich dir getan, mein Volk, und womit habe ich dich beschwert? Das sage mir!
Habe ich dich doch befreit aus der Knechtschaft des Todes, damit du lebst. Doch du tust Werke des Todes, zerstörst und vernichtest.

Habe ich doch Christus zu dir gesandt und dich aus der Sünde erlöst. Doch du kreuzigst ihn täglich mit dem, was du tust.

O mein Volk!

Improperien III

Was habe ich dir getan, mein Volk, und womit habe ich dich beschwert? Das sage mir!
Habe ich dich doch mit meinem Worte gespeist und mit lebendigem Wasser erquickt. Doch dich kümmert wenig, was ich zu dir spreche.

Habe ich dir doch gesagt, was gut ist, und was ich von dir will. Doch du handelst nach deinem Gutdünken. Mein Volk, dankst du so dem Herrn, deinem Gott?

O mein Volk!

Lied: Holz auf Jesu Schulter 

(das Lied endet aprupt bei "ruf uns aus den Toten". Beleuchtung aus. Im Chorraum wird die Osterkerze entzündet.)

Auferstehung

Lass uns auferstehn! So rufen wir zu Gott. Lass uns entkommen der Dunkelheit, der Zerstörung, dem Hass, der Verfolgung, den ewigen Katastrophen, der Krankheit, dem Tod.

Lass uns auferstehn! Gott, wir sehnen uns danach. Wir bangen. Wir hoffen.

Mitten in der dunklen Nacht des Todes sehen wir ein kleines, sanftes Licht. Die Osterkerze. Symbol der Hoffnung. Zeichen der Auferstehung. In der dunklen Nacht vor dem letzten Ostern war sie das erste Licht, das diese Kirche erhellte. Und sie erhellt sie bis heute. Klein. Sanft. Nicht groß, stark und mächtig. Kaum wahrnehmbar am hellen Tag, doch deutlich sichtbar im Dunkeln.

Lass uns auferstehn! So rufen wir zu Gott. All unsere Hoffnung liegt auf dir. Zu dir beten wir in der Dunkelheit. Zu dir beten wir mit den Worten, die du uns gelehrt hast.

Vaterunser  

Segen

Lied: Der Müden Kraft
 

Texte und Fotos, soweit nicht angegeben: Heiko Kuschel. Texte, für die wir keine Abdruckerlaubnis haben, wurden aus dem Ablauf entfernt, aber nach Möglichkeit verlinkt.