Predigt am Buß- und Bettag 2012: Lebt warm, nicht lau!

Text: Offb 3, 14-22

Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: 15 Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! 16 Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. 17 Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. 18 Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. 19 Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße! 20 Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir. 21 Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron. 22 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Liebe Gemeinde!

Buß- und Bettag. Irgendwie ist das ja ein seltsamer Feiertag geworden. Die Kinder haben frei, die Eltern nicht. Und wozu überhaupt so etwas? Büßen, das kennen wir grade mal noch vom Bußgeldkatalog im Straßenverkehr oder so. Wenn ich soundsoviel zu schnell fahren, muss ich soviel zahlen. Oder kriege einen Monat den Führerschein abgenommen.

Ist Gott auch so? Im Mittelalter dachte man das oft. Und wusste auch, wie man den eigenen himmlischen Flensburgkontostand reduzieren konnte. Sie kennen das – Ablassbriefe kaufen, und schon springt die Seele aus dem Fegefeuer. Über dieser Frage haben sich damals vor fast 500 Jahren Martin Luther und die römisch-katholische Kirche entzweit.

Denn Luther war in einem Punkt gänzlich anderer Meinung als „seine“ Kirche. Er beharrte darauf, dass es nicht nötig ist, gute Werke zu tun, um vor Gott gerecht zu werden. Er sagte: Die Anforderungen Gottes an uns, wie wir eigentlich sein müssten – die können wir sowieso nicht erfüllen. Keiner kann das. Und genau darum ist ja Jesus Christus in die Welt gekommen, um uns zu erlösen. Er hat unser gesamtes Punktekonto, um nochmal auf das Bild zurückzukommen, auf sich übertragen lassen. Wir sind frei. Nur – unterschreiben müssen wir es halt. Glauben. Überzeugt sein davon. Mal ehrlich: Daran hapert es doch noch des öfteren. Irgendwie glauben wir ja schon, dass es Gott gibt. Gehen in den Gottesdienst und all das. Aber machen wir uns auch wirklich bewusst, was das bedeutet?

Wäre ich ein Autofahrer, der kurz vor dem Führerscheinentzug stünde, und jemand anders würde das für mich übernehmen – welche Konsequenzen würde ich daraus ziehen? Ich kann nur für mich sprechen: Ich würde versuchen, besser zu fahren. Wenigstens ein bisschen mehr auf Geschwindigkeitsbeschränkungen zu achten und was es da noch alles gibt. Aber ab und zu würde ich wahrscheinlich trotzdem geblitzt werden – es reicht ja schon, ein Schild zu übersehen.

Der heutige Predigttext sagt uns: So wie ihr lebt, das ist gar nichts. Ihr seid irgendwie lau. Weder warm noch kalt. Was soll das? Dann hat euch diese Botschaft nicht richtig erreicht. Wenn ihr wirklich daran glauben würdet, dann würdet ihr sozusagen brennen vor Glauben. Oder aber die Botschaft würde euch erreichen und ihr würdet sie bewusst ablehnen. Da ist ja ein Atheist, der sich bewusst dafür entschieden hat, noch hundertmal besser als ihr. Nichts Halbes und nichts Ganzes. So geht das nicht. Nochmal in den Worten des Johannes: „Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! 16 Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.“

Und dann kommt ein Satz, der wie extra für unsere satte westliche Welt geschrieben zu sein scheint: „17 Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts! und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.“

Ja, wir leben ziemlich reich und zufrieden hier in Deutschland. Bequem. Uns geht es gut. Wozu brauchen wir da Gott? Es ist ja so – in Ländern, in denen es den Menschen lange nicht so gut geht wie bei uns, lebt der Glaube oft ganz anders, als wir das hier so wahrnehmen.

Sind wir zu lau? Überzeugen wir niemanden mehr mit dem, was wir tun? Was können wir denn wirklich tun?

Gehen wir nochmal zurück zu Martin Luther. Vielleicht ist seine Lösung tatsächlich die allerbeste. Er wusste: Ich kann vor Gott gar nicht bestehen, ganz egal, wie sehr ich mich anstrenge. Gottes Strafe hätte ich immer verdient. Aber: Es reicht darauf zu vertrauen, dass Jesus mein Flensburger Glaubensfehlerpunktekonto leergeräumt hat. Wenn wir darauf wirklich vertrauen, dass Gott uns erlöst hat, dann werden wir auch vor den Menschen nicht als „lau“ erscheinen. Sondern als Menschen, die brennen für ihren Glauben. Und als Menschen, deren Glauben auch in ihrem Leben sichtbar wird.

Der Buß- und Bettag steht dieses Jahr unter dem Motto „Geschlossene Gesellschaft“. Und oft ist es ja so, dass wir andere ausschließen. Weil sie anders sind. Weil sie unsere Gebräuche nicht kennen. Weil sie uns unsympathisch sind. Manchmal sind wir vielleicht auch selber die, die woanders vor geschlossenen Türen stehen. Vielleicht ist das ein Weg, unseren Glauben sichtbarer zu machen. Türen zu öffnen für andere. Auch für die, die wir nicht so mögen. Vielleicht öffnen sich dann auch neue Türen für uns. Dann, wenn wir mal ganz unten sind, uns allein fühlen. Damit wir wieder neu „brennen“ können für unseren Glauben.

Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.