Brennen, aber nicht verbrennen

Am Dienstag und Mittwoch dieser Woche besuchte ich die Jahrestagung des Zentrums für Mission in der Region der EKD (Zmir), von dessen Existenz, das muss ich gestehen, erst zwei Wochen vorher überhaupt erfahren hatte. 120 Personen hatten sich angemeldet zum Thema „Das Evangelium, die Unerreichten und die Region“. Hochkarätige Vorträge von Professorinnen und Professoren, ein Podiumsgespräch mit Landesbischöfin Junkermann und dem katholischen emeritierten Bischof Wanke und und und.

Immer wieder ging es um die Frage: Wie werden Menschen, die der Kirche und auch dem Glauben eher gleichgültig oder gar ablehnend gegenüberstehen, ansprechbar für unsere Themen? Wie kommen wir mit ihnen ins Gespräch, wie können wir einladen für unseren Glauben? Das Wort „Mission“ ist in diesem Zusammenhang ja leider durch manche Praktiken der „Missionare“ der vergangenen Jahrhunderte etwas in Verruf geraten. Wir wollen einladen. Aber wie?

Viel war die Rede von Authentizität der Glaubenden. Davon, dass nicht nur Pfarrerinnen und Pfarrer, sondern alle Christen glaubwürdiger sein müssten. Bodo Ramelow, der nach einer Zeit der Pause wieder in die evangelische Kirche eingetreten war und später Bundestagsabgeordneter für die Linke wurde, erzählte davon, dass das manchmal auch in seiner Partei nicht ganz einfach ist für ihn.

Ein Satz ist mir aber besonders wichtig geworden aus dieser Tagung. Professor Dr. Gerhard Wegener brachte in einem Forum die Ergebnisse einer Untersuchung ein: Was haben wachsende Gemeinden gemeinsam? Da gab es fünf Punkte, von denen die ersten vier, denke ich, viele Gemeinden durchaus umsetzen:

1. Freundlichkeit, Zugänglichkeit, Offenheit – dazu ist wohl nicht viel hinzuzufügen, aber selbst da kann es in der einen oder anderen Gemeinde schon ganz schön hapern.

2. Vertrauensbildung: Die Gemeinde muss anerkannt und vernetzt sein in ihrer Umgebung, etwas beitragen zum Gemeinwohl. Anerkannte Institutionen erzeugen mehr Bindung. Ob das nun durch Kindertagesstätten oder Chöre geschieht oder durch gemeinsames soziales Engagement oder oder ...

3. Etwas wollen! Die Menschen müssen das Gefühl haben: Wir werden gebraucht! Wir können etwas beitragen zum gemeinsamen Ziel. Und: Sie müssen persönlich gefragt werden.

4. Verpflichtungen und eine Vision des guten Lebens: Die Menschen sollten dann schon auch mit der christlichen Botschaft in Berührung kommen. Ein gutes Beispiel ist die Gospel-Bewegung: Menschen machen mit wegen der Musik, sind begeistert, beschäftigen sich mit den Texten und kommen so mit dem Glauben in Berührung.

5. Ergriffensein.
Das ist der Punkt, der nicht so einfach zu „machen“ ist, und doch zeigt die Erfahrung, dass es genau das ist: Es braucht Menschen, die von dem, was sie tun, überzeugt sind. Die Charisma haben. Die Themen setzen und andere mitreißen, die für ihre Sache brennen. Das ist eine Gabe, über die wir nicht verfügen können, die nicht herstellbar ist. „Der Geist weht, wo er will“, heißt es schon in der Bibel.

Und doch: Gerade vorher war ich durch Zufall – ich hatte die Räume verwechselt – in einem Forum, in dem es um Menschen ging, die sich von der Kirche abgewendet hatten, die einmal hoch engagiert waren, ja, gebrannt hatten für ihre Gemeinde – und die nun ausgebrannt waren. Burnout. Innere Emigration. Exodus. Für mich eine Warnung: Brennen allein ist nicht gut. Doch, eigentlich schon. Aber es muss ein Brennen sein, das den Menschen nicht ausbrennen lässt.

Brennen und doch nicht verbrennen: Irgendwie musste ich an die Erzählung vom Dornbusch denken, den Mose sah. Der brannte und doch nicht verbrannte. Dieses Feuer hatte Gott selbst entfacht, nicht der Dornbusch. Der stand einfach nur so rum und brannte und wurde doch zum eindrücklichen Zeichen für Gottes Gegenwart.

Ob wir auch so brennen können? Zum Dornbusch werden können? Zu einem Zeichen für die Menschen um uns herum? Nein, diese Frage ist falsch, jedenfalls, wenn wir sie so verstehen, als könnten wir das selbst bewirken.

Das klingt jetzt sehr fromm, aber ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll: Wir können nur offen sein dafür, dass Gottes Geist uns entfacht. Und müssen doch dabei aufmerksam bleiben für uns selbst. Denn wenn das Feuer, das wir – möglicherweise – in uns spüren, uns aus- und verbrennt, dann war es vermutlich nicht Gottes Feuer in uns, sondern doch nur unser eigener Ehrgeiz, unsere eigene Vorstellung davon, wie Gottes Gemeinde auszusehen hat.

Brennen und nicht verbrennen. Eine Gratwanderung. Der Dornbusch hat's uns vorgemacht. So einfach und doch so schwer.