bitte frei machen!

Ansprache beim MehrWegGottesdienst 
„bitte frei machen“
Schweinfurt, 28.6.2015

Freiheit! Was haben wir uns nur wieder dabei gedacht, als wir dieses Thema gewählt haben. Das war mal wieder uferlos bei unseren Teamsitzungen. Was ist Freiheit? Ist die überhaupt gut für uns? Wo endet sie? Macht sie vielleicht eher Angst?

Wir leben in einem freien Land, heißt es immer. Aber natürlich können wir hier auch nicht alles tun und lassen, was wir wollen. Wir können nicht einfach rumgehen und Leute umbringen. Nicht mal falsch parken können wir oder mit dem Fahrrad durch die Spitalstraße fahren.

OK, können wir schon. Das mit dem Fahrrad kostet dann halt 15 Euro, das mit dem falsch Parken unter Umständen etwas mehr und das mit dem jemanden Umbringen kostet uns etliche Jahre im Gefängnis.

Das belastet natürlich meine Entscheidung für oder gegen etwas. Kann ich dann vielleicht nur frei sein, wenn ich die Konsequenzen meines Handelns ausblende? Bei manchen Menschen habe ich das Gefühl, sie tun genau das. „Ich möchte frei sein, tun und lassen, was ich will, und was morgen ist, kümmert mich nicht.“ Solange es nur Konsequenzen für einen selber hat – meinetwegen. Aber was ist, wenn mein Handeln andere beeinflusst?

Heute wurde das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld abgeschaltet. Die Menschen, die es damals befürwortet, geplant und gebaut haben, waren sich sicher, dass sie die Konsequenzen genau im Blick hatten. Sicherheit wurde groß geschrieben. Und das mit dem Atommüll, dafür würde sich irgendwann, wenn die Technik fortschreitet, schon eine Lösung finden. Damals galt Atomkraft bei vielen als eine umweltfreundliche Form der Stromerzeugung, weil keine Abgase entstehen. Heute sehen das viele anders, niemand würde einen Ökostromanbieter ernst nehmen, der Atomstrom in seinem Mix hat. Die Endlager-Frage ist offener denn je, und zwei große Unfälle in Tschernobyl und Fukushima haben uns gezeigt, dass eben doch nicht alles beherrschbar ist.

Wir können nie alle Konsequenzen überdenken. Ich glaube, die Atomkraft-Befürworter damals handelten in der vollen Überzeugung, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Und auch heute noch lese ich in den Facebook-Kommentaren viele, die diese Meinung vertreten.

Es muss ja nicht gleich so eine riesige Entscheidung sein, vor der wir stehen und deren Konsequenzen wir nicht ganz abschätzen können. Es gibt so vieles im Leben, wo wir einerseits frei sind, andererseits aber nicht wissen, was das mit uns macht.

Welche Schule soll ich besuchen? Welchen Beruf wählen? Stelle ich meinem Freund/meiner Freundin einen Heiratsantrag? Sollen wir Kinder bekommen? Sollen wir ein Haus bauen oder kaufen? Das sind richtig große Lebensentscheidungen, und leider ist es nicht möglich, nochmal zu einem früher gespeicherten Spielstand zurückzukehren und den anderen Weg auszuprobieren.

Das mit der Freiheit kann deshalb auch ganz schön Angst machen. Mache ich was falsch? Ist das der richtige Weg oder der falsche? Ich glaube, deshalb sind extremistische Gruppierungen aller Art auch ziemlich attraktiv gerade für Leute, die eher unsicher sind. Denn da bekommen sie gesagt: Du gehörst zu den Guten. Und dann ist es letztlich egal, ob es nur darum geht, ein bestimmtes Handy zu haben oder eine bestimmte Form von Glauben oder darum, wie ich mich kleide oder oder: Dazuzugehören zu einer Gruppe, das gibt Sicherheit. Und es erfordert großen Mut, aus so etwas auszusteigen, nicht mitzumachen, die eigene Freiheit zu genießen. 

„Wagt euch zu den Ufern“ haben wir vorhin gesungen. Geht, beginnt von vorn! 

Das ist das, was Jesus uns verspricht: Du kannst jederzeit wieder neu anfangen. Du kannst dein Leben in die Hand nehmen. Zur Freiheit hat uns Jesus befreit, heißt es in der Bibel. Dazu, dass wir ohne Angst unser Leben gestalten. Dazu, dass wir uns unsere Freiheit nehmen, so zu leben, wie wir meinen, dass es richtig ist. Jesus hat uns ein paar Anhaltspunkte gegeben, wie es gut sein könnte. Vor allem sein Gebot der Liebe. Wenn wir in Freiheit einander in Liebe begegnen und auch dem anderen seine oder ihre Freiheit lassen – dann ist doch schon mal ein guter Anfang gemacht. Und an einem Punkt ist Jesus auch gewissermaßen extremistisch. Denn auch er sagt: Du bist gut. Du bist gut so, wie du bist. Und das ist dann der Unterschied zu irgendwelchen Extremisten: du bist auch dann gut, wenn du Fehler machst, wenn du anders bist als die anderen, wenn du deine Freiheit in Anspruch nimmst.

Und alles, was uns belastet – das soll dabei keine Rolle mehr spielen. Deshalb lade ich euch jetzt ein, eure Zettel zu nehmen und mit mir nach draußen zu gehen. Da werden wir die Zettel mit allem, was uns belastet und zu Boden drückt, verbrennen. Für einen neuen Anfang. Und als Zeichen: Du bist gut, so wie du bist.

Amen.