Predigt: Freut euch!

Predigt am 1. Advent 2020
Sennfeld/Schwebheim, 29.11.2020

Text: Sach 9, 9-10 Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, einem Füllen der Eselin. 10 Denn ich will die Wagen wegtun aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.

Liebe Gemeinde!

Bitte freuen Sie sich jetzt.

Los jetzt.

Freuen ist angesagt, hopp hopp!

Juhu!

Hosianna!

Nein, so funktioniert das nicht.

Freude auf Knopfdruck – noch dazu in einer Kirche auf Abstand, mit Maske, ohne die schönen Lieder selber singen zu können, mit vielen Sorgen beladen – das wird nichts.

Und doch sagt es der Prophet Sacharja zur Tochter Zion, das ist ein poetischer Name für die Stadt Jerusalem: Freue dich sehr!

Wir wissen nicht ganz genau, wann der Verfasser dieser Verse lebte. Möglicherweise zur Zeit der großen Eroberungen durch Alexander den Großen im vierten Jahrhundert vor Christus. Jedenfalls erwartete er, dass die Endzeit wohl bald kommen würde. Und ja, für ihn war das, was er erwartete, eine Zeit der Freude.

Tochter Zion, freue dich! Auch wenn gerade auf dieser Welt so vieles schief läuft, so vieles kaputt geht. Auch, wenn Krieg und Not herrschen und die ganze bekannte Welt durcheinandergewirbelt wird: Freue dich! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer!

Und wir?

Unsere ganze Welt ist durcheinandergewirbelt. Krankheit, Sorgen, finanzielle Ängste. Uns fehlt die Nähe, uns fehlen die gemeinsamen Feiern, und wie soll das eigentlich werden an Weihnachten? Kein Alexander der Große, nur ein winziger Virus wirbelt alles durcheinander. Ach ja, und noch die ganz normalen Alltagssorgen und der Klimawandel und was noch so alles ansteht.

Freue dich sehr? Nicht mal singen können wir es gemeinsam, dieses wunderbare Lied.

Doch der Prophet Sacharja hat eine Vision. Davon, wie die Welt eines Tages sein könnte. Davon, wie der Krieg zu Ende sein könnte. Wie endlich, endlich Frieden herrschen könnte auf der Welt.

Ein neuer König wird kommen. Einer, der nicht auf Pomp und Macht setzt, sondern ein Gerechter. Ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel. Alles wird umgekehrt. Die Mächtigen werden nicht mehr mächtig sein. Ein Armer wird kommen und König sein, und er reitet auf einem Esel.

Alles wird anders. Alles wird neu. Alles wird gut. Gott wird das ganze Kriegsgeschrei, die Kriegswagen und all das einfach „wegtun“. So leicht, wie ein Kind ein Spielzeug zur Seite legt, es wegtut, so wird Gott alles beseitigen, wegtun, was nicht dem Frieden dient.

Und er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.

Während Alexander der Große ein Land nach dem anderen erobert und sein Reich vergrößert, setzt dieser König den Frieden an die erste Stelle: Er wird Frieden gebieten den Völkern. Nicht Alexander wird herrschen, sondern dieser König. Und es wird ein Friedensreich sein. Alle Not, alle Trauer, aller Streit werden vergessen sein. Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.

Wussten Sie, dass die Melodie unseres so beliebten Adventslieds von Georg Friedrich Händel eigentlich als Triumphmarsch für ein biblisches Oratorium geschrieben wurde? Josua kehrt siegreich zurück aus dem Kampf, und das Volk singt: Seht, der siegreiche Held kommt! Schlagt die Pauken, spielt die Trompeten! Bringt den Lorbeerkranz!

Auch später hat er es nochmal in einer ähnlichen Situation im Oratorium Judas Maccabaeus verwendet, das in Anlehnung an den jüdischen Freiheitskämpfer den vernichtenden Sieg des  Duke of Cumberland über den britischen Thronprätendenten Charles Edward Stuart feiert. Den kennen Sie vielleicht besser als „Bonnie Prince Charlie“.

Ein Triumphzug, dieses Lied. Militärisch geprägt. Seltsam war es für mich, als wir das mal in einem Chor gesungen haben. Friedrich Heinrich Ranke fügte die Melodie erst viel später zusammen mit dem uns bekannten Text, schrieb noch weitere Strophen dazu.

Tochter Zion, freue dich! Dein König ist der Sieger. Er wird herrschen, eines Tages. Er wird triumphieren. Und es wird ein Friedensreich sein.

Kein Wunder, dass die ersten Christen in diesen Worten eine Prophezeiung auf Jesus hin sahen. Und so geht es uns ja heute noch.

Und ja: Trotz aller Widernisse, trotz aller Trauer, trotz aller Sorgen: Freut euch! Denn das ist immer noch unsere Hoffnung. Dass Jesus Christus der Herr ist. Dass er diese ganze so verkorkste Welt in der Hand hält. Dass er den Frieden bringen wird, nicht heute, vielleicht auch nicht in unserem irdischen Leben. Aber: Alles wird gut.

Das entbindet uns nicht davon, selbst tätig zu werden für den Frieden, für die Erhaltung der Schöpfung, für alle Menschen um uns herum, die in Not sind. Im Gegenteil. Durch uns wird sein Reich Wirklichkeit. Durch uns kommt diese Freude in die Welt.

Tochter Zion, freue dich! Wir haben eine Hoffnung, die selbst über unseren Tod hinausreicht. Wir haben Grund, uns zu freuen, selbst in der Hoffnungslosigkeit, in der Verzagtheit, in der eigenen Trauer. Und ja, genau daran sollte man uns Christinnen und Christen erkennen: Dass wir fröhlich und getröstet durch die Welt gehen, weil wir Hoffnung haben. Natürlich wird es Zeiten geben, in denen uns das schwer fällt. Manchmal werden wir an dieser Trauer und den Zweifeln fast zerbrechen, denn das Friedensreich ist noch nicht da. Aber am Ende unseres Lebens wartet Gott auf uns. Und unermessliche Freude und Frieden.

Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!
Sieh, dein König kommt zu dir, ja, er kommt, der Friedefürst.
Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!

Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!
Gründe nun dein ewges Reich, Hosianna in der Höh!
Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!

Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!
Ewig steht dein Friedensthron, du des ewgen Vaters Kind.
Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!

Amen.

 

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