Predigt: Himmel auf Erden

Predigt am ersten Weihnachtsfeiertag 2012
Niederwerrn, 25.12.2012

Text: Joh 3, 31-36
Der von oben her kommt, ist über allen. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, der ist über allen 32 und bezeugt, was er gesehen und gehört hat; und sein Zeugnis nimmt niemand an. 33 Wer es aber annimmt, der besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist. 34 Denn der, den Gott gesandt hat, redet Gottes Worte; denn Gott gibt den Geist ohne Maß. 35 Der Vater hat den Sohn lieb und hat ihm alles in seine Hand gegeben. 36 Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.

Liebe Gemeinde!

Ich hoffe sehr, dass Sie gestern einen richtig schönen Abend hatten. So, wie es halt das Klischee ist: Im Kreis der Familie, gutes, aber einfaches Essen, Geschenke, vielleicht ein wenig Musik. Kerzenlicht, alle freuen sich.

Ja, danach sehnen wir uns. Ich glaube, es ist gar nicht so sehr ein Klischee, sondern eine Sehnsucht. Die Sehnsucht nach einer heilen Welt. Einer Welt, in der es keinen Streit gibt und keine Eifersüchteleien. Einer Welt, in der man sich einfach fallen lassen kann, zur Ruhe kommen kann, die Gemeinschaft mit anderen genießen kann. Ein Stück Himmel auf Erden.

War es bei Ihnen so, gestern? Wenn ja: Herzlichen Glückwunsch. Wenn nein: Machen Sie sich nichts draus. Das ist doch normal, und dieses Bild von der heilen Familie, das macht einem höchstens ein schlechtes Gewissen, wo gar keines nötig wäre.

Vielleicht haben Sie gestern einen Menschen vermisst, der letztes Jahr noch ganz selbstverständlich an Weihnachten dabei war. Vielleicht war auch nur ein liebevoll ausgesuchtes Geschenk eine Enttäuschung. Oder es gab Streit in der Familie, oder aber es ging halt nach der Bescherung doch wieder jeder seiner Wege. Ja, es ist so: Wir leben halt leider nicht im Himmel, auch wenn wir vielleicht durchaus Vorstellungen haben, wie dieser Himmel aussehen könnte oder was uns diesem Himmel ein Stück näher bringen könnte.

„Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde“, so bringt uns unser heutiger Predigttext ziemlich unsanft und ihm wahrsten Sinn des Wortes auf den Boden der Tatsachen zurück. Engel hin oder her, ihr seid von der Erde und fliegt nicht irgendwo da oben herum. Und hier, auf der Erde, da ist eben nicht alles gut. Da brauchen wir gar nicht erst die Nachrichten einzuschalten. Das wissen wir selber, aus unserem eigenen Leben.

Doch heute, an Weihnachten, ist alles anders. Heute ist er tatsächlich da: der Himmel auf Erden. Ganz wörtlich: Gott kommt aus dem Himmel auf die Erde. Gott berührt uns, die wir von der Erde sind. Oder mit den Worten unseres Predigttextes: „Der vom Himmel kommt, der ist über allen und bezeugt, was er gesehen und gehört hat“. Und hat nicht Jesus genau das getan? Uns einen Einblick gegeben, wie der Himmel auf Erden aussehen könnte. Wie es sein könnte, unser Leben, wenn es nicht ständig von irgendwelchen blöden äußeren Umständen gestört werden würde. Der Himmel auf Erden. Die Evangelien berichten, wie es bei Jesus war: Blinde sehen, Lahme gehen, Tote stehen auf, den Armen wird das Evangelium gepredigt.

Und heute? Was ist davon übrig? Kein Himmel auf Erden mehr?
Das ist wirklich eine schwierige Frage. Was bleibt eigentlich nach 2000 Jahren von diesem Kind im Stall? Was hat dieser Jesus wirklich bewirkt? Ist denn irgend etwas besser geworden?

Der vom Himmel kommt, der ist über allen und bezeugt, was er gesehen und gehört hat.

Jesus hat uns erzählt, wie der Himmel ist. Er hat uns gezeigt, was es heißt, ganz als Mensch zu leben. In der Bergpredigt zum Beispiel. In der Heilung, die Menschen widerfahren ist, die ihm begegneten. In Gesprächen, die Menschen völlig veränderten – denken Sie an Zachäus, den Zöllner.

Da ha der Himmel auf Erden angefangen. Die Menschen, die es erlebt haben, haben es uns weitererzählt. Begeistert haben sie die Botschaft weitergetragen von diesem Jesus, der so ganz anders war als wir. So – menschlicher. Und gleichzeitig – göttlicher. Der vom Himmel kommt, der ist über allen und bezeugt, was er gesehen und gehört hat.

Der Himmel ist auf Erden angekommen. Aber noch wirkt er nicht überall. Auch nach 2000 Jahren nicht. Aber was hindert uns daran, es Jesus nachzumachen? Ein Stück Himmel auf die Erde zu bringen. Zu leben wie Jesus. Freundlich. Vergebend. Den Menschen zugewandt.

Vielleicht werden bei uns nicht gleich Menschen geheilt. Zumindest nicht von offensichtlichen Krankheiten. Aber heilen können wir – die Einsamkeit, die Traurigkeit, die Ungerechtigkeit, die bitterste Armut. Wir müssen es nicht alles auf einmal machen. Auch Gott lässt sich Zeit mit dem Himmel auf Erden.

Ganz klein hat er angefangen. Nicht groß und mächtig, von oben herab. Sondern als kleines, absolut machtloses Kind in der Krippe. Und ganz klein endete sein menschliches Dasein: Absolut machtlos, als Verbrecher am Kreuz. Und trotzdem verändert er die Welt. Trotzdem glauben etwa ein Drittel aller Menschen weltweit an diesen Jesus.

Mitten in der dunkelsten Nacht des Jahres feiern wir, dass Jesus in die Welt gekommen ist. Die Nächte werden wieder kürzer, die Tage länger. Auch das ein Zeichen: Jesus, das Licht der Welt, will unsere Welt verändern. Auch unser Leben will er verändern. Wenn wir es zulassen. Jeden Tag ein bisschen mehr. Jeden Tag einen Schritt zum Himmel auf Erden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.