kirchliche Wahlempfehlung
Ein Beitrag von 2009 - immer noch aktuell
Vor einigen Tagen rief mich ein engagierter Christ aus dem Schweinfurter Raum an, hörbar verärgert. Der Grund: Für die „Nacht der Offenen Kirchen“ am 2.10.2009 hatten wir als Schirmherr bereits letztes Jahr den damaligen Bundesminister Michael Glos gewonnen, der nun auch ein Grußwort für das Programmheft geschrieben hat. Ja, in der Tat: Das sieht danach aus, als würde die Kirche versuchen, Einfluss auf die Wahl zu nehmen. Ein einflussreicher Politiker bekommt hier viel Raum angeboten, um sich zu präsentieren. Ich glaube aber, niemand aus der Steuerungsgruppe hatte vor gut einem Jahr im Blick, dass diese Programmhefte genau passend kurz vor der Bundestagswahl verteilt werden. Mir zumindest liegt eine solche Einflussnahme fern. Gerade jetzt vor der Wahl versuche ich, mich mit parteipolitischen Äußerungen als Pfarrer zurückzuhalten.
Nun könnte der Eindruck entstehen, Kirche sei eng mit der CSU in Bayern verbunden. Natürlich stimmt das insofern, als viele Christinnen und Christen sich mit den Zielen der CSU (oder anderswo in Deutschland der CDU) identifizieren und dann auch politisch aktiv werden. Ein Beispiel dafür ist sicher Günter Beckstein, der ja schon lange vor seiner Zeit als Ministerpräsident Mitglied der Landessynode unserer Landeskirche war. Mittlerweile ist er Vizepräses, also zweiter Vorsitzender, der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Also: CSU=Kirche=CSU? Weit gefehlt. In fast allen Parteien finden sich engagierte Christinnen und Christen. Beckstein ist „nur“ Vizepräses der EKD; die Präses, also erste Vorsitzende, heißt Katrin Göring-Eckardt, ist Mitglied bei den Grünen und außerdem Bundestagsvizepräsidentin. Natürlich gibt es auch in anderen Parteien engagierte Christinnen und Christen. Es ist nur etwas schwierig herauszufinden, wo und wie viele. Um das Ganze zu vereinfachen, habe ich auf www.wahl.de einmal nach den Suchbegriffen „Pfarrer“ und den Namen der jeweiligen Partei gesucht. (Pfarrerinnen habe ich keine gefunden, und natürlich gibts darüber hinaus noch viele Christen, aber keiner gibt als Berufsbezeichnung "Christ" an.) Dabei sind, wenn ich das richtig verstanden habe, nur die Kandidatinnen und Kandidaten für verschiedene Wahlen (z.B. auch Europa) in die Suche eingeschlossen. Leider nur die im Bundestag vertretenen Parteien.
Ich habe gefunden (alphabetische Reihenfolge):
- CDU 1
- CSU 0
- FDP 0
- Grüne 2
- Linke 2
- SPD 2
Das ist nun natürlich eine wenig aussagekräftige Stichprobe, aber sie zeigt, dass Christinnen und Christen durchaus unterschiedliche politische Wege einschlagen können – vor allem aber auch, dass sie sich politisch engagieren. „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn, denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's auch euch wohl.“ So fordert der Prophet Jeremia (Jeremia 29,7). Es ist wichtig, dass wir uns als Einzelne einmischen, unsere Meinung vertreten, nicht nur für unsere Stadt, sondern für unseren Staat, ja, die ganze Welt.
Als Institution Kirche können uns müssen wir uns sicher auch politisch äußern, wenn auch selten parteipolitisch. Wenn es um Armut geht, um Gerechtigkeit, um Bewahrung der Schöpfung und andere Themen, die auch Christen betreffen. Vor der Wahl aber tun wir gut daran, uns mit politischen Empfehlungen zu Parteien zurückzuhalten, so denke ich. Jedenfalls so lange, wie die Politik nicht christlichen Grundsätzen zuwiderläuft. Es ist schwer, diese Grenze zu ziehen. Auch innerhalb der Christenheit gibt es oft keine ganz klare Linie. An manchen Punkten ist diese Grenze allerdings eindeutig überschritten. Dann, wenn zu Fremdenhass aufgerufen wird. Wenn Menschen ausgegrenzt werden. Wenn Sündenböcke gesucht und gefunden werden. Da sind wir als Kirche gefragt, als Gemeinschaft aller, die an die Erlösung durch Gottes Liebe glauben. Da sind klare Positionen nötig. In der Zeit des Nationalsozialismus waren die christlichen Kirchen da viel zu zaghaft.
Darum meine "Wahlempfehlung": Gehen Sie zur Wahl. Suchen Sie der Stadt Bestes. Wählen Sie, was immer Sie für richtig halten für unseren Staat. Nur nicht die Parteien, die zu Hass und Ausgrenzung aufrufen.
Ihre Meinung interessiert mich: Ist Kirche zu politisch? Zu wenig politisch? Diskutieren Sie mit mir. Ich bin gespannt auf Ihre Kommentare.
Comments
Kirche ist oft zu unpolitisch
im Internet aktiv. :-)
Antwort auf Kirche ist oft zu unpolitisch von Gast (nicht überprüft)
Zumindest was Social Networks angeht, kann ich gewissermaßen Vollzug melden. ;-) Die Citykirche Schweinfurt ist bei Twitter, Facebook und wer-kennt-wen.de vertreten, die EKD hat gerade das neue Portal www.evangelisch.de eröffnet. Aber natürlich muss man auch verstehen, dass einige ältere Kollegen das nicht als wichtigen Teil ihrer Arbeit ansehen. Auch für mich ist es etwas, was wichtig ist, aber eben nur ein Teil meiner Arbeit. Ein Teil, der auch einiges an Zeit frisst, die mir dann woanders unter Umständen fehlt.
Kirche & Politik
Antwort auf Kirche ist oft zu unpolitisch von Gast (nicht überprüft)
Ich habe mal nach "Kirche & Politik" gegoogelt und bin dabei auf einen interessanten Artikel auf der Seite der EKD gestoßen.
Auszug: Die Kirche muß also, darin liegt ihr erster Beitrag zur Politik, als Kirche offenkundig und glaubwürdig bleiben. Aber sofort danach gilt dann nicht weniger: Die Kirche darf nicht nur Kirche in ihrem eigenen Bereich und im engeren Sinne bleiben wollen. Verkündigung ist eine öffentliche Sache - und deshalb kann die Kirche nicht anders als zu öffentlichen Sachen Stellung nehmen. Sie kann nicht aufgehen und aufhören im politischen Geschäft; aber sie kann auch nicht das politische Geschäft aufgeben und davor aufhören. Folglich muß sie auch Position beziehen zu der Ordnung, in der die Politik verfaßt ist, sie muß sich in Beziehung setzen zu der jeweils gegebenen politischen Verfassung.
Für die, die es interessiert und sich den etwas ganzen Artikel mal anschauen möchten: http://www.ekd.de/vortraege/leicht/kirchenpolitik.html
Kirche/Religion ist das Eine - Politik ist das Andere
politische Aussage
Antwort auf Kirche/Religion ist das Eine - Politik ist das Andere von Gast (nicht überprüft)
Für mich wäre hier an dieser Stelle interessant, wie du eine "politische Aussage" definierst.
Du vermisst eine "entsprechende Reaktion der EKD" auf eine Aussage von Beckstein.(Sollte sie reagieren, weil er ein Synodaler ist, oder ein Politiker?) Wenn Kirche und Politik einfach zwei Bereiche sind, die auf keinen Fall vermischt werden dürfen, würde das im einzelnen nicht bedeuten, das Christen nicht politisch aktiv sein sollten?
Gar nicht so einfach das Ganze...
1934 haben Theologen (aufgrund der politischen Lage im Land) mit der Barmer Theologischen Erklärung Stellung bezogen.(http://www.ekd.de/bekenntnisse/142.html) oder http://de.wikipedia.org/wiki/Barmer_Theologische_Erkl%C3%A4rung
Auszug aus der Barmer Theologischen Erklärung, 5.These:
Damit ist doch schon eine Menge gesagt, oder? Diskussion geht weiter, hoffe ich...
Politische Aussage
Antwort auf politische Aussage von MrsSnuggle
Was ist eine politische Aussage?
Antwort auf Kirche/Religion ist das Eine - Politik ist das Andere von Gast (nicht überprüft)
Hallo Johannes,
interessant: Kirche darf keine politischen Aussagen machen, aber im gleichen Kommentar wirfst du mir vor, dass ich Beckstein wegen einer bestimmten politischen Aussage nicht kritisiere. Das passt für mich so nicht zusammen. Zumal es mir mit meinem Blogeintrag ja auch um etwas ganz anderes ging. Nämlich nur darum, dass Christen, die ihren Glauben ernst nehmen und sich auch in verschiedenster Weise dafür engagieren, in den unterschiedlichsten politischen Parteien aktiv sein können. Es ging mir in diesem Zusammenhang überhaupt nicht um Inhalte, die er vertritt, sondern eher gewissermaßen um die Statistik.
Die Sache mit den Abschiebungen ist ein völlig anderes Thema; hier gebe ich dir Recht, dass da einiges im Argen liegt. Verschiedene Kirchengemeinden haben sich da übrigens schon sehr konsequent engagiert, ich erinnere an mehrere Kirchenasyl-Aktionen in den vergangenen Jahren. Und was Moscheen in Deutschland angeht - wir arbeiten zumindest in Schweinfurt ziemlich gut mit der islamischen Gemeinde zusammen, bis hin zu gemeinsamen Schulgottesdiensten an einigen Schulen.
Ich denke, dass wir als Kirche wieder politischer werden müssen und auch dürfen - aber eben nicht parteipolitisch, sondern dass wir "große" politische Themen aufgreifen sollten und aus unserer Sicht kommentieren, ganz egal, welcher Partei wir dabei auf den Schlips treten. Darin sehe ich eine große Herausforderung. Und auch das wird durchaus schon gemacht, nur leider (?) ist unsere evangelische kirchliche Struktur ja etwas "unübersichtlich", so dass es schwierig ist, deutschlandweit zu einem gemeinsamen Statement zu kommen. Wenn der Papst was sagt, stehts auf der 1. Seite der Zeitung, wenn der Landesbischof von Kurhessen-Waldeck (haben die einen?) was sagt, interessiert das hier niemanden. Vielleicht ist das Portal evangelisch.de so ein Ort, an dem auch solche Dinge pointierter dargestellt werden können.
Zur Parteipolitik: Es fällt mir heute schwer, mich mit meiner Meinung über den Ausgang der Wahl zurückzuhalten. Aber ich werde es nicht einmal auf meinem privaten Twitter-Account tun. Eben weil die Gefahr besteht, dass es als kirchliche Aussage missverstanden wird.
Beckstein
Antwort auf Was ist eine politische Aussage? von Heiko Kuschel
Dari, Farsi
Antwort auf Was ist eine politische Aussage? von Heiko Kuschel
Moin,moin, Herr Kuschel,
ich bin Mitarbeiter des "Rauhen Hauses" in Hamburg.
wir betreuen unter anderem auch minderjährige Flüchtlinge in Wohngruppen.
Bei uns wohnt ein 14-jähriger Afghane dessen Mutter in Bad Königshofen untergebracht ist. Dieser wird von Ihr sehr unter Druck gesetzt mit verschiedenen Hilfeersuchen. Das Problem scheint zu sein, daß der Mutter weder ein Deutschkurs angeboten wird und ihr anscheinend auch kein Dolmetscher zur Verfügung steht, eine Verständigung also fast unmöglich ist.
Aus ihrem Beitrag ersehe ich, daß sie mit der islamischen Gemeinde Schweinfurt in Verbindung stehen.
Wären Sie so freundlich mir eine Verbindungsadresse,-telephonnummer o.ä. zur Verfügung zu stellen oder anderweitig eine Kontaktaufnahme zu ermöglichen; Sie dürfen auch gerne meine Mail-Adresse weitergeben.
Ich suche einen Dolmetscher der Dari oder Farsi spricht und Lust hätte diese Aufgabe ehrenamtlich zu übernehmen.
In der Hoffnung auf eine baldige Antwort bedanke ich mich im Voraus.
Heiner Kaltschmidt
Kontakt
Antwort auf Dari, Farsi von Gast (nicht überprüft)
Hallo Herr Kaltschmidt,
ich selber habe keine Kontakte zur islamischen Gemeinde, kenne aber Leute, die Kontakte haben. Denen würde ich gerne Ihre Email-Adresse oder Telefonnummer weitergeben, aber Sie haben sie nicht angegeben.
Mailen Sie mir doch einfach mal unter info@citykirche-schweinfurt.de
Kirche, Religion, Glauben .... und Politik
Antwort auf Kirche/Religion ist das Eine - Politik ist das Andere von Gast (nicht überprüft)
Kirche ist durchaus politisch!
Antwort auf Kirche/Religion ist das Eine - Politik ist das Andere von Gast (nicht überprüft)
Hier findest du einen Beitrag vom Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, zum Thema Bleiberecht von Flüchtlingen. Kirche mischt sich sehr wohl ein - wird nur vielleicht manchmal nicht so wahrgenommen. Was könnte man darüber hinaus noch tun?
Pfarrerinnen
Sprachprobleme ;-)
Antwort auf Pfarrerinnen von Gast (nicht überprüft)
Oh Tschuldigung, auf die Idee, nach "Pastor(in)" zu suchen, bin ich nicht gekommen. :-) So sagt man hier in Bayern einfach nicht.
Atheistenpartei...
Auch eine Möglichkeit, darauf zu antworten: Ein Aufruf zur Gründung einer Atheistenpartei http://blog.dignitatis.com/wordpress/?p=629
Ich jedenfalls kann nichts Verwerfliches dabei finden, wenn Christen (genauso wie Atheisten) ihre politische Meinung in einer Demokratie einbringen. Wer dann gewählt wird, mit welchen Überzeugungen, ob christliche oder nicht, das entscheiden eh die Wähler. :-)
Wahlverhalten von Protestanten und Katholiken
diese Untersuchung finde ich interessant...
http://kath.net/detail.php?id=24075
Statistik
Antwort auf Wahlverhalten von Protestanten und Katholiken von Heiko Kuschel
Interssant ja, aber wie kommen solche Zahlen bei einer freien, geheimen Wahl eigentlich zustande? Gesamtzahl der Wählenden und wieviele davon welche Konfession haben, ok, aber Rückschlüsse auf die jeweils gewählte Partei?