Jesus, Petrus und der innere Schweinehund

Predigt am Sonntag Invokavit
Gochsheim, 25.2.2007/Weipoltshausen, Madenhausen 21.2.2010
Text: Lukas 22, 31-34
Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. 32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder. 33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. 34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.

Liebe Gemeinde!

Kennen Sie das auch? Immer wieder mal erzählen mir Menschen von solchen Situationen, und auch mir geht es oft so: Manchmal weiß ich ganz genau, was ich tun müsste. Was in dieser oder jener Situation richtig wäre.  Und trotzdem tue ich es nicht. Ich schweige, ich lasse zu viel durchgehen, oder ich sage auch einmal etwas, wo ich vielleicht lieber geschwiegen hätte. Dabei weiß ich doch ganz genau, was richtig wäre. Warum tue ich es dann nicht? Angst vor den Konsequenzen – vielleicht liegt es daran? Wenn ich einem Menschen widerspreche, einen Streit mit ihm anfange, dann belastet das unser Verhältnis möglicherweise auf Jahre hinaus. Da schweige ich doch lieber. Wenn ich als Lehrer einem Schüler eigentlich einen Verweis oder eine schlechte Note erteilen müsste, dann zögere ich – denn das hat ja Konsequenzen für sein Schulleben. Da bin ich lieber wieder einmal viel zu lieb. Im Religionsunterricht soll es doch wenigstens ein bisschen anders sein.

Oder gehen wir einmal eine Stufe höher, zu unserer Gesellschaft. Wir wissen doch, wohin es führt, wenn wir immer nach den billigsten Angeboten Ausschau halten. Wir wissen, dass alle da nur noch mithalten können, wenn sie die Qualität senken. Und dann regen wir uns auf, wenn Gammelfleisch-Skandale aufgedeckt werden, wenn Verantwortliche alles versucht haben, das zu tun, was wir doch unser Kaufverhalten von ihnen fordern: Billig produzieren! Beim Milchpreis erleben wir zur Zeit, wie dieser Mechanismus funktioniert und Produzenten in den Ruin treibt.

Wir wissen auch, oder ahnen es zumindest, unter welchen Bedingungen Menschen in anderen Ländern die Rohstoffe und Bestandteile für unsere Güter herstellen müssen. Ob das nun die Schokolade ist oder die neue Bluse, der billige Computer oder der Kaffee im Sonderangebot.
Wir wissen auch, wie sehr wir mit unserem Verhalten die Umwelt belasten. Mit Erschrecken, aber doch ohne Verwunderung, haben wir gehört: In den nächsten 15 Jahren müssen wir radikal umdenken, um eine Klimakatastrophe noch verhindern zu können. Viel weniger Abgase. Energie sparen. Keine Stickstoffdüngung mehr. Weniger Auto fahren. Ach, das wissen wir doch schon spätestens seit den Schlagzeilen übers Waldsterben – wann waren die? Vor 25 Jahren? Ich war jedenfalls noch in der Schule, als diese Diskussion aktuell war.

Wir wissen, wie wir richtig handeln müssten. Ob es nun ist, dass wir einem Menschen die Meinung sagen, weil es um der Sache willen wichtig ist. Ob es ist, dass wir darauf achten, dass unsere Gebrauchsgüter möglichst natur- und menschenverträglich hergestellt werden. Ob es ist, dass wir auf die Umweltfolgen unsres Handelns achten. Dem entgegen steht oft unsere Bequemlichkeit, oder auch einfach nur unser eigener Geldbeutel. Wir können es uns doch gar nicht leisten, immer nur fair gehandelte Produkte, Bio-Produkte usw. einzukaufen. Zumal wir ja nicht mal wissen, ob die wirklich so fair gehandelt oder so biologisch produziert sind – so entschuldigen wir uns dann gerne.

Was ist das, das uns davon abhält, das Richtige zu tun? Unsere Faulheit und Bequemlichkeit? Die Angst vor den Konsequenzen? Von alledem wohl ein bisschen. Die Menschen in früheren Zeiten hatten für alle diese Dinge ein sehr treffendes Bild: Der Satan ist es, der uns unser Handeln eingibt. Der Satan ist es, der uns vom richtigen Weg abbringen will. Heute tun sich viele Menschen schwer mit dieser Bezeichnung und diesem Bild. Gibt es den Satan, den Teufel? Was dahinter steht, ist auf jeden Fall etwas sehr Ernstes: Es ist diese ständige Versuchung, in der wir leben. Dieses „wissen, was richtig ist“ und doch etwas anderes tun. Moderne Menschen reden da nicht mehr vom Satan. Und doch haben sie wieder eine Bezeichnung dafür gefunden: Der „innere Schweinehund“, der ist zu besiegen. So hat es mein Sportlehrer oft gesagt, wenn wir fast am Ende waren und doch noch eine Runde laufen sollten.  So sagen wir, wenn wir uns erst aufraffen müssen, etwas zu tun. Ob nun Satan oder innerer Schweinehund – gemeint ist das gleiche: Irgend etwas hält uns davon ab, so zu leben, wie es richtig und gut wäre.

Petrus wusste auch ganz genau, was richtig wäre. Bei ihm ging es um etwas anderes, um noch viel wesentlichere Dinge – und doch war es kam anders als bei uns. Bei ihm ging es darum, sich zu Jesus zu bekennen. Zu dem, der jahrelang das Zentrum seines Lebens gewesen war. Zu dem, der für ihn Worte des ewigen Lebens hatte. Zu dem, der ihm ein ganz neues Bild von Gott gegeben hatte.

Und dieser Jesus, er kündigt dem Petrus an, dass er auch nicht anders handeln wird als alle anderen Menschen: „Der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen“ Und Petrus weiß sofort, woran Jesus denkt: Daran, dass Petrus seinen Herrn verraten könnte. Im Brustton der Überzeugung sagt er: „Niemals, Herr! Ich gehe mit dir ins Gefängnis, wenn's sein muss, in den Tod! Ich werde dich niemals verraten!“ Doch Jesus weiß es besser. Er weiß von unserem inneren Schweinehund, vom Satan in uns und auch in Petrus. Und er kündigt es Petrus an: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.

Wir wissen, wie die Geschichte weitergeht. Wir wissen, dass Petrus Jesus nachgeschlichen ist. Dass er angesprochen wurde: „Du bist doch auch einer von denen!“ - und dass er gesagt hat: „Nein, ihr irrt euch, ich gehöre nicht dazu.“ Was hätte es denn genutzt in dieser Situation, sich zu Jesus zu bekennen? Er wäre vielleicht auch noch mit Jesus gekreuzigt worden, wer weiß. Wem hätte das etwas gebracht? Angst vor den Konsequenzen – und schon hat er nicht nur seinen besten Freund, sondern seine größte Hoffnung verraten, einfach so, ohne groß nachzudenken.

Nun müsste es eigentlich aus sein – Petrus hat Jesus verraten. Wer will mit so einem schon noch zu tun haben? Doch Jesus ist anders: Er vergibt, schon bevor Petrus überhaupt den Verrat begeht. Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. So sagt er zu ihm. Und hat für Petrus, den Versager, sogar noch eine große Aufgabe: Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder. So sagt Jesus zu Petrus. Ihm, der an dieser so wichtigen Stelle völlig versagt hat, der dem Satan, dem inneren Schweinehund, nichts entgegenzusetzen hatte, ihm vertraut Jesus weiterhin. „Stärke deine Brüder!“. Oder an anderer Stelle: „Du bist Petrus, der Fels, auf den ich meine Gemeinde baue.“

Jesu Liebe ist stärker als der Satan. Sie hört dort nicht auf, wo wir versagen. Sie traut uns weiter zu, unseren Weg zu gehen. So, wie er es Petrus zugetraut hat. Doch kann das für uns kein Freibrief sein, uns jetzt faul zurückzulehnen, den Schweinehund machen zu lassen. Nein, ganz im Gegenteil: Es soll uns Ansporn sein, unser Leben zu verändern. Dem Satan keine Chance mehr zu geben. Die Welt so zu verändern, dass der Satan keinen Platz mehr darin hat. Die Welt so zu verändern, dass Liebe und Gerechtigkeit regieren. Wir allein können das nicht. Wir brauchen dazu Gottes Hilfe. Gottes Liebe, die vergibt und verzeiht, wenn wir wieder einmal das Falsche tun. Jesu Liebe, der uns sagt: Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.