Predigt am Sonntag Reminiscere: Jesus - der Fremde

 

Predigt am Sonntag Reminiscere 2013
Volkershausen/Maßbach, 24.2.2013

Text: Joh 8, (21-26a) 26b-30

Liebe Gemeinde!

„Gott und Mensch“, das ist das Thema des Sonntags Reminiscere. Ein ziemlich kompliziertes und schwieriges Thema. Wie können wir Gott nahe kommen? Was erwartet er eigentlich von uns? Wie sollen wir unser Leben gott-gefällig gestalten? Es ist ja wirklich nicht so, dass die Bibel auf alle heutigen Fragen eine passende Antwort hätte. Atomkraft, Fertiglasagne und lebensverlängernde Maßnahmen im Alter gab's damals einfach noch nicht, um nur mal ein paar Beispiele zu nennen. Aber auch viel konkreter für's eigene Leben: Was ist Gottes Wille für mich? Welche Entscheidung soll ich treffen, manchmal an entscheidenden Punkten im Leben?
Meistens antwortet Gott ja nicht so wirklich direkt auf unsere Fragen, Bitten, Klagen. Vielleicht erkennen wir im Nachhinein manches, was uns geschehen ist, als eine Botschaft von Gott, aber sicher können wir uns nie sein.

Und dann natürlich: Die Ansprüche Gottes an uns, so wie wir sie uns vorstellen – die können wir doch nie und nimmer erfüllen. Allen Menschen mit Liebe begegnen. Meinen Nächsten immer lieben wie mich selbst, und Gott auch. Nein, wir Menschen leben in einer Welt, die nicht nur gut ist. Wir kaufen die billigen Fertigprodukte und freuen uns, wenn der Preis nochmal um 10 Cent gesenkt wird. Über die Folgen ereifern wir uns ein paar Tage oder Wochen, wenn mal wieder ein Lebensmittelskandal aufgedeckt wird, und dann machen wir ganz normal weiter.

Haben ja auch nicht unendlich viel Geld. Ist das nicht auch Sünde? Ein unverantwortlicher Umgang mit den Ressourcen, die unsere Welt uns bietet?

Können wir denn anders, können wir wirklich im Einklang leben mit unseren Mitmenschen, mit Gott und mit der ganzen Schöpfung? Davon sind wir weit entfernt. Wir können Gottes Willen nicht hundertprozentig erfüllen.

Kein Wunder, dass es immer schon bei vielen Menschen diese Einstellung gab, die damals vor allem in der griechischen Philosophie weit verbreitet war: Gott ist, wenn er überhaupt existiert, ziemlich weit weg von uns. So wie ein König, an den man nicht rankommt. Könige haben wir heute auch nicht mehr – aber stellen Sie sich vor, Sie wollen etwas ganz Bestimmtes von unserem Bundespräsidenten Joachim Gauck. Vielleicht wollen Sie ihm danken für die Ansprache am Freitag, oder Sie haben eine bestimmte Bitte, etwas, wofür er sich unbedingt einsetzen soll.

Sie könnten ihm einen Brief schreiben, klar. Aber Sie wissen auch: Der bekommt jeden Tag Hunderte von Briefen, die kann er gar nicht alle selber lesen. Das macht vermutlich ein Referent für ihn, der das alles schon mal vorsortiert, zusammenfasst und vieles gleich im Namen des Bundespräsidenten selber beantwortet.

Ja, der Vergleich hinkt natürlich. Gauck ist nicht Gott, und Gott trauen wir es durchaus zu, dass er Tausende, wenn nicht Millionen von Gebeten gleichzeitig hört und annimmt. Dafür braucht er keinen Referenten, der ihm das alles zusammenfasst.

Aber trotzdem: Gott ist halt kein Mensch. Er ist – anders. Unvorstellbar, nicht wirklich fassbar für unsere Gedanken. Wie kann diese Verbindung zwischen Gott und Mensch gestärkt werden? Wie kann sie direkter werden, enger, ja: liebevoller?

Sie wissen es natürlich, was Gott selbst dafür getan hat. An Weihnachten haben wir's gefeiert: Gott wird Mensch. In seinem Sohn Jesus Christus. So glauben und so feiern wir das.

Und damit sind wir endlich bei unserem heutigen Predigttext angelangt. Denn darin geht es genau um die Frage: Welche Rolle hat eigentlich Jesus? Was ist er? Ist er ein einfacher Mensch? Ist er der Sohn Gottes? Um diese wichtige Frage geht es in unserem heutigen Predigttext, den ich diesmal in der Übersetzung von „Hoffnung für alle“ vorlese.

Joh 8, (21-26a) 26b-30 (Übersetzung: Hoffnung für alle)
21 Später sagte Jesus noch einmal zu ihnen: "Ich gehe fort. Ihr werdet mich dann verzweifelt suchen, aber ihr werdet in euren Sünden umkommen. Ihr könnt nicht dorthin gehen, wo ich sein werde." 22 "Will er sich etwa das Leben nehmen?", fragten sich die Juden. "Oder was heißt das: 'Ihr könnt nicht dorthin gehen, wo ich sein werde' ?" 23 Dazu sagte ihnen Jesus: "Ihr seid von hier unten; ich komme von oben. Ihr gehört zu dieser Welt; ich gehöre nicht zu dieser Welt. 24 Deshalb habe ich gesagt: Ihr werdet in euren Sünden umkommen. Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, gibt es keine Rettung für euch." 25 "Dann sag uns, wer du bist!", forderten sie ihn auf. Jesus erwiderte: "Darüber habe ich doch von Anfang an mit euch geredet."3 26 "Ich hätte euch viel vorzuwerfen und viel an euch zu verurteilen. Trotzdem sage ich euch nur, was ich von dem gehört habe, der mich gesandt hat. Er ist wahrhaftig und zuverlässig." 27 Aber sie verstanden noch immer nicht, dass Jesus von Gott, seinem Vater, sprach. 28 Deshalb erklärte er ihnen: "Wenn ihr den Menschensohn erhöht4 habt, werdet ihr erkennen, wer ich bin, und einsehen, dass ich nichts von mir aus tue, sondern weitergebe, was mir mein Vater gesagt hat. 29 Er, der mich gesandt hat, ist bei mir und lässt mich nie allein, weil ich immer das tue, was ihm gefällt." 30 Nach diesen Worten glaubten viele an Jesus.


Kein einfacher Text, liebe Gemeinde. „Ihr werdet mich dann verzweifelt suchen, aber ihr werdet in euren Sünden umkommen.“ Solche Sätze aus dem Mund von Jesus, den wir uns als liebevoll und allen Menschen zugewandt vorstellen? Und dann dieser krasse Gegensatz: „Ihr seid von hier unten; ich komme von oben. Ihr gehört zu dieser Welt; ich gehöre nicht zu dieser Welt.“ Und der ganz klare Satz: „Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, gibt es keine Rettung für euch.“.

Das ist ganz schön schwierig anzunehmen, zumal Jesus dann auf die Frage, wer er denn nun sei, keine so wirklich klare Antwort gibt. Außer, dass er von dem kommt, der ihn gesandt hat – was aber damals für die Menschen um ihn herum auch nicht wirklich verständlich war. Und dass sie eines Tages erkennen werden, wenn sie ihn erhöht haben. Wir denken da sofort ans Kreuz, aber die, mit denen er damals sprach? Die konnten sich absolut keinen Reim darauf machen.

Jesus – der Fremde. Der andere. Und doch eben auch der, mit dem man reden kann, anders als mit Gott dem Vater. An diesem Text wird deutlich, was wir vielleicht manchmal auch ein wenig vergessen: Jesus war mehr als einfach nur ein besonders guter, liebevoller, ethisch hundert Prozent korrekter Mensch. Er war – oder besser gesagt: ist – aber auch anders als Gott Vater, denn zumindest damals konnten die Leute mit ihm reden.

Jesus: Der, der uns von Gottes Liebe erzählt. Und doch der ganz andere. Das geht weit über das Bild vom Referenten des Bundespräsidenten hinaus. Jesus ist nicht einfach nur der „Referent“, das wären vielleicht die Propheten gewesen. Er ist Gott selbst und Gottes Sohn, was für uns wohl immer unverständlich bleiben wird.

Das, was zwischen Gott und Menschen steht, das aber wird durch ihn weggenommen. Selbst seine so radikale Ankündigung in unserem Text - „ihr werdet in euren Sünden umkommen“ - die wird relativiert durch seinen Tod für uns am Kreuz. Denn der gilt für alle.

Jesus: Der ganz andere. Gott und Mensch und Gottessohn. Nicht zu fassen für uns, nicht zu begreifen, und doch greifbar. Der, der uns Hoffnung gebracht hat. Das Korn, das in die Erde fiel und neues Leben für alle brachte. Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.