Predigt: Christen sind wundersame Wesen

Sonntag Kantate, Kreuzkirche Schweinfurt-Oberndorf, 29.4.2018

Text: Apg 16, 23-34

Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen. 24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.

25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie. 26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so dass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen, und von allen fielen die Fesseln ab. 27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offenstehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29 Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32 Und sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.


 

Christen sind schon wundersame Wesen.

Da sitzen sie im Gefängnis, in Fesseln,

allein und einsam in der Nacht.

Da sitzen sie und haben keine Hoffnung mehr.

Da sitzen sie im Dunkeln,

keinen Weg scheint es mehr zu geben.

Einsam, allein, gefangen, am Ende.

Da sitzen sie –

und fangen an, Gott zu loben.

Mitten in der Nacht.

Alte Psalmen singen sie, so stelle ich‘s mir vor.

Alte Psalmen, die nicht nur ihnen Mut machten,

sondern auch den Mitgefangenen in den anderen Zellen.

Und es geschieht:

Die Türen öffnen sich, die Fesseln fallen ab, sie sind frei!


 

Christen sind wundersame Wesen.

Nun sind sie frei, die beiden.

Abhauen, jetzt aber schnell!

Bevor jemand etwas merkt!

Nein – sie bleiben. Freiwillig.

Sie bleiben einfach da.

Haben keine Angst.

Und retten dem Aufseher indirekt das Leben.

Ihre wundersame Art überzeugt ihn.

Diesem Jesus, den die beiden verehren,

will er auch angehören.

Wundersam sind sie, diese Christen.

Aber frei, selbst im Gefängnis.

Fröhlich, selbst in der dunkelsten Nacht.

Hoffnungsvoll, selbst wenn kein Weg weiterzuführen scheint.

Christen sind wundersame Wesen.

Immer wieder, in der Geschichte, hat sich das wiederholt.

Christen, die für ihren Glauben einstanden, ohne Angst.

Damals, als die in die römischen Arenen gezerrt wurden.

Als sie von wilden Tieren gefressen wurden.

Und noch im Tod ihre Lieder sangen

und für ihre Peiniger beteten.

Christen sind wundersame Wesen.

Von Dietrich Bonhoeffer,

Gefangenem und Opfer der Nazis,

erzählte man:

Er wirkte so frei, so gelassen,

als hätte er zu gebieten, nicht sie.

Voller Zuversicht trat er seinen letzten Weg an,

damals, im April 1945.

Für ihn der Beginn eines neuen Lebens.

Christen sind wundersame Wesen.

Von Asylbewerbern höre ich, immer wieder,
die wissen: Ihre Taufe ist oft kein Grund mehr, Asyl zu erhalten.
Eher im Gegenteil.
Auch wenn wir das nicht verstehen:

Sie werden abgeschoben in ein Land,
in dem ihnen die Todesstrafe droht,
weil sie sich zu Jesus Christus bekennen.
Und doch tun sie es.

Bekennen sich zu ihm.

Sehenden Auges
riskieren sie lieber den Tod
als Jesus zu verleugnen.

Christen sind wundersame Wesen.

Sie suchen nicht den eigenen Vorteil,

sondern den des anderen.

Ganz egal, wer der andere ist.

Sie halten die andere Wange hin.

Sie begleiten jemanden zwei Meilen statt einer.

Sie geben und rechnen nicht auf.

Sie lieben, weil Jesus es ihnen gezeigt hat.

Sie leben aus der Liebe und Versöhnung.

Christen sind wundersame Wesen.

Da will der Staat das christliche Kreuz an viele Gebäude anbringen.

Und ausgerechnet aus den Kirchen kommt Kritik.

Denn wir denken nicht nur an uns selbst und unseren Vorteil.

Sondern an alle.

Niemand soll sich ausgeschlossen fühlen.

Nicht mal unsere größten Feinde.

Christen sind wundersame Wesen.

Ein Zeichen des Versagens, ein Folterwerkzeug,

wurde ihr Zeichen.

Weltweit.

Das Kreuz – ein "Ärgernis", wie Paulus es beschreibt:

Es zeigt einen Weg, den kaum ein Mensch gehen will.

Den Weg des offensichtlichen Versagers.

Den Weg dessen, der so voller Liebe und Zuwendung ist,

dass er sich nicht wehrt,

dass er seine Machtfülle nicht gebraucht,

dass er keinen Vorteil ausspielt –

sondern lieber in den Tod geht.

Christen sind wundersame Wesen.

Sie kämpfen nicht für ihre Überzeugungen.

Außer mit Worten.

Sie sind für alle da.

Auch für ihre Feinde.

Sie helfen in der Not.

Ohne Ansehen der Person.

Christen sind wundersame Wesen.

Im tiefsten Unglück fangen sie an zu singen und Gott zu loben.

Im größten Glück denken sie an die, die zu kurz kommen.

Sie helfen allen, völlig egal, wem.

Sie teilen alles mit allen.

Sie lassen sich lieber übers Ohr hauen,

als einmal jemandem Unrecht zu tun.

Christen sind wundersame Wesen.


 

Sind wir das?

Sind wir so, wie ich das gerade beschrieben habe?

Manchmal vielleicht, ja.

Aber auch wir Christen sind doch ganz normale Menschen.

Auch bei uns gibt es Unfriede und Streit.

Auch wir sind unterschiedlicher Meinung darüber, was Jesus nun von uns will.

Auch wir trennen uns, spalten uns, sind unterschiedlicher Meinung.

Aber:

Christen sind wundersame Wesen.

WIR sind wundersame Wesen.

Wir leben von dem größten aller Wunder.

Der Auferstehung von den Toten.

Was könnte uns noch wirklich Angst machen?

Christen sind wundersame Wesen,

die von einem Wunder und auf ein Wunder zu leben.

Wir können das.

Wir können die Welt verändern.

Sanft.

Liebevoll.

Wundersam.

Den Menschen zugewandt.

Ein Loblied auf den Lippen,

ein Lächeln,

und vor allem:

Die Hoffnung,

dass Gott Wege für uns weiß.

Da, wo wir keine mehr sehen.

Christen sind wundersame Wesen.

Lassen Sie uns gemeinsam die Welt ver-wundern.

Lassen Sie uns die Welt zu einem wundervollen Ort machen.

So, wie Paulus und Silas

im Gefängnis saßen

und die Welt veränderten,

für den Aufseher und seine Familie,

für die Mitgefangenen.

Lassen Sie uns die Welt ver-wundern.

Mit einem Lied auf den Lippen.

Amen.