Predigt: Vom Paradies zur Hölle und zurück
Predigt am 8. Sonntag nach Trinitiatis, 22.7.2018, Gustav-Adolf-Kirche Schweinfurt und Kreuzkirche Oberndorf
Liebe Gemeinde!
Letzten Donnerstag war in der Dreieinigkeitskirche wieder der Bibelgesprächskreis mit Menschen hauptsächlich aus Iran und Afghanistan. „Mit Jesus unterwegs“ haben sie diesen Kreis selbst genannt. Viele neu getaufte, die gerne noch mehr über ihren neuen Glauben erfahren wollen. Einige, die sich erst einmal vorsichtig interessieren für diesen Glauben, der ihre Freunde so begeistert. Ungefähr 15 Leute waren da, die ganze Diskussion ging zweisprachig auf Deutsch und auf Farsi.
Und wir haben uns die Schöpfungserzählung angesehen. Die aus 1. Mose 2 und 3, mit Adam, Eva und dem Paradies. Dieses Paradies, der Garten Eden: Der hat in der Bibel ja einen festen Platz. Das Gebiet von Euphrat und Tigris. Die Heimat von Abraham. Heute: Syrien, Iran. Die Heimat der Menschen, die da um den Tisch versammelt waren. Ein Paradies? Das war es vielleicht einmal, damals, vor 3000 Jahren, als diese Geschichte aufgeschrieben wurde. Heute ist es die Hölle, so drastisch sagte es einer in der Runde.
Wo kommt das her? Warum gibt es das Leid? Warum gibt es diese schrecklichen Kriege?
Die Schöpfungserzählung gibt darauf eine ziemlich klare Antwort. Sie kennen bestimmt die Geschichte vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Wie Adam und Eva, von der Schlange verführt, von den Früchten aßen, obwohl Gott es ihnen verboten hatte. Eine ganz grundsätzliche menschliche Erfahrung: Gerade, wenn etwas verboten ist, wollen wir es unbedingt haben. Und überhaupt: Wir wollen immer mehr. Immer noch mehr. Egal, ob es gut ist für uns und die anderen oder nicht. Wir hören vielleicht, was Gott uns empfiehlt – aber wir überhören es. Wir wollen sein wie Gott.
Und dann stehen sie da, Adam und Eva. Und auf einmal ist alles anders. Auf einmal unterscheiden sie zwischen Gut und Böse. Auf einmal können sie nicht mehr unbeschwert im Paradies leben. „Im Schweiße seines Angesichts“ soll der Mann den Acker bestellen, die Frau soll unter Schmerzen gebären. Das ist die Konsequenz ihres eigenen, freien Handelns. Ihres „Sein-Wollen-wie-Gott“.
Das Leid: Es ist menschengemacht. Sogar der erste Tote, von dem die Bibel berichtet, ist von Menschenhand umgekommen: Kain ermordet seinen eigenen Bruder Abel.
Und das Paradies, der Garten Eden? Er ist zur Hölle geworden. Durch uns. Durch uns Menschen. Natürlich nicht direkt durch Sie und mich, die wir hier in dieser Kirche sitzen. Aber wir können uns nicht abseits stellen von den weltweiten Verstrickungen. Auch wir haben unseren Anteil daran. Durch unser Konsumverhalten, das Ausbeutung und sogar Kinderarbeit in Kauf nimmt, solange wir es nur nicht so genau wissen. Durch unsere Umweltverschmutzung, die in anderen Ländern Dürre und Not hervorruft oder die Meere mit Plastikmüll überschwemmt. Durch die Verteidigung unserer Grenzen, die verzweifelte Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt oder sie der Willkür von Sklavenhändlern in Libyen überlässt. Oder auch bei uns durch willkürlich erscheinende Sozialhilfesätze, die manchen Rentnern und manchen Alleinerziehenden und vor allem ihren Kindern nicht zum menschenwürdigen Leben reichen.
Das Paradies ist zur Hölle geworden. Nicht nur in Syrien. Aber uns hier, uns geht‘s gut. Wir können uns heute ein leckeres Mittagessen gönnen und nachher vielleicht noch ein Eis beim Italiener.
Manche sagen: Es ist Gottes Wille, was geschieht. Wir müssen das annehmen. Ich sage: Nein, das ist es nicht. Gott will nicht das Leid. Aber er lässt uns Freiheit. Er hat keinen Zaun um den Baum gebaut. Er hat den Menschen Freiheit gelassen, seinen Empfehlungen zu folgen oder eben nicht – nur die Konsequenzen müssen wir nun eben tragen.
Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. So klar und deutlich formulierte es die Gründungsversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1948, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch immer noch leiden Millionen Menschen auf der Welt unter Krieg und Verfolgung. Sind auf der Flucht. Und viel zu viele sterben. Verdursten, verhungern, ertrinken, werden ausgeraubt und ermordet auf dem Weg.
Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. Gottes Wille ist ein anderer. Er will nicht den Krieg, das Leid, die Zerstörung. Er lässt den Propheten Jesaja ein anderes Bild sehen.
Dies ist's, was Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat über Juda und Jerusalem: 2 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, 3 und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. 4 Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
5 Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN!Jesaja 2, 1-5
Ausgerechnet Jerusalem, das Zentrum so vieler Konflikte der letzten hundert Jahre, der Berg Zion, auf dem Jerusalem erbaut ist, ausgerechnet von ihm soll der Friede ausgehen!
Schon zu Jesajas Zeiten war dieses Gebiet umkämpft. Jesaja hat es erlebt: Das erste Ende Israels. Die babylonische Gefangenschaft. Die Zerstörung Jerusalems und des Tempels, den Salomo gebaut hatte. Das große, menschengemachte Leid, das über das Volk Israel kam. Menschen auf der Flucht und in der Verbannung. Und doch sagt Jesja: Gott wird Frieden schaffen! Aber er weiß auch: Das ist eine Hoffnung, die noch in weiter Ferne liegt. Wir Menschen sind einfach nicht so. Wir sehen zu oft nur auf unseren eigenen Vorteil. Unsere eigenen Bedürfnisse stehen für uns über denen der anderen.
500 Jahre nach Jesaja kam einer und hat uns vorgelebt, wie das aussehen könnte: Das Friedensreich. Jesus hat uns gezeigt wie das geht. Mit Worten hat er gekämpft für Gerechtigkeit, aber niemals mit dem Schwert. Er hat nicht seinen eigenen Vorteil gesucht, im Gegenteil: Lieber ließ er sich umbringen, lieber ließ er sich kreuzigen, als sich auch nur zu wehren gegen das, was die Menschen ihm antaten.
Ob das eine Lösung für unsere Probleme ist, für unsere Kriege und all das? Dass wir uns nicht wehren, dass wir zwar mit dem Wort kämpfen, aber nie mit dem Schwert? Dass wir das Leid willig annehmen, wenn es kommt, so wie Jesus es getan hat?
Das ist doch völlig utopisch. Aber das ist es, was Jesaja uns voraussagt. Das ist es, was Gott für uns bereit hält: Dass eines Tages unsere oft so kriegerische, ungerechte, leiderfüllte Welt neu wird. Dass die Völker zusammenkommen und aus ihren Schwertern Pflugscharen schmieden. Dass sie ihre Waffen fallen lassen und miteinander neue Wege gehen. Ja, so wird es sein, das prophezeit schon Jesaja. So wird es sein – im Reich Gottes.
Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
So will Gott unsere Erde erneuern. Aber bis dahin liegt es an uns, Wege des Friedens und der Versöhnung zu gehen. Im Kleinen wie im Großen. Das weiß auch Jesaja. Und deshalb endet er mit einer Aufforderung, die so gar nicht vom Jenseits spricht, sondern von dieser Welt, davon, wie wir hier leben sollen und können.
Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN!
So wird jede Meldung von Krieg, Streit und Gewalt für uns zu einer Aufforderung: Seid anders! Sät den Frieden, nicht den Hass, wo ihr könnt! Wandelt im Licht des Herrn. Wandelt in der Liebe und hofft und vertraut auf Gott.
Amen.