Ansprache bei der Andacht zu Weltkindertag und Klimatag 20.9.19 11:55 St. Johannis Schweinfurt #allefürsKlima

Text: Lk 15, 1.11-32 

11 Jesus erzählte: Ein Mann hatte zwei Söhne:
12 Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht! Da teilte der Vater das Vermögen unter sie auf.
13 Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen.
14 Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er begann Not zu leiden.
15 Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten.
16 Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon.
17 Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Brot im Überfluss, ich aber komme hier vor Hunger um.
18 Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt.
19 Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner!
20 Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von Weiten kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
21 Da sagte der Sohn zu ihm: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.
22 Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt einen Ring an seine Hand und gebt ihm Sandalen an die Füße!
23 Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein.
24 Denn dieser, mein Sohn, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein Fest zu feiern.
25 Sein älterer Sohn aber war auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz.
26 Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle.
27 Der Knecht antwortete ihm: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn gesund wiederbekommen hat.
28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu.
29 Doch er erwiderte seinem Vater: Siehe, so viele Jahre schon diene ich dir und nie habe ich dein Gebot übertreten; mir aber hast du nie einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte.
30 Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.
31 Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein.
32 Aber man muss doch ein Fest feiern und sich freuen; denn dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.

Ja Ulli, das ist ja schön und gut, was wir da gerade gehört haben. Ein junger Mann hat alles verprasst und jetzt kehrt er wieder um. Aber was hat das denn bitteschön mit dem Tag heute zu tun? Da draußen spielen und feiern die Kinder den Weltkindertag, und die Jugendlichen und die Erwachsenen werden nachher auf der Demo Maßnahmen zum Klimaschutz fordern. Was soll denn da die Geschichte vom „verlorenen Sohn“?

Auf den ersten Blick hast du natürlich recht, Heiko. Aber ich glaube, in diesem jüngeren Sohn steckt eine ganze Menge davon drin, wie wir miteinander und mit der Welt umgehen.

Sorry, aber ich hab nicht das Geld meiner Eltern verprasst. Und die anderen Dinge jetzt auch nicht so wirklich.

Nein, das natürlich nicht. Aber dieser junge Mann zeigt uns doch ganz deutlich, wie wir gerne leben: Ohne Rücksicht auf das, was dann irgendwann mal kommt. Wir verbrauchen unsere Ressourcen und lassen es uns gut gehen. Der Sohn wusste bestimmt auch, dass sein Geld irgendwann mal zu Ende gehen wird – aber das war ihm erst mal egal. „Wird schon irgendwie weitergehen“, hat er sich vermutlich gedacht.

Hm, so gesehen passt das natürlich auf unser Verhalten. Wir verbrauchen viel mehr Rohstoffe, als die Erde verkraften kann. Schon seit Jahrzehnten muss uns eigentlich klar sein, dass es so nicht weitergehen kann. 

Vielleicht hatte auch dieser jüngere Sohn Freunde, die manchmal meinten: „Pass auf, so kann‘s nicht weitergehen! Dein Geld ist irgendwann alle, und dann?“

Aber Umkehren ist halt so schwer und unbequem. Und man müsste sich ja eingestehen, dass man etwas falsch gemacht hat.

Aber die, die sagen: „Kehr um!“ - die werden immer mehr und immer lauter.

Ja, und das ist auch gut so. Alle wissenschaftlichen Untersuchungen sagen uns, dass die Art, wie wir heute leben, in einer Katastrophe enden muss – spätestens für unsere Enkelkinder.

Dabei ist es doch heute schon auf der Welt eine Katastrophe für viele Kinder. Jedes Jahr sterben mindestens vier Millionen Kinder unter fünf Jahren an umweltbezogenen Krankheiten. 

Das heißt: Etwa alle acht Sekunden eines.

Und die Kinder leiden auch noch viel mehr unter den Gefahren der Umweltverschmutzung. Ihre Körper reagieren stärker auf Umweltgifte und auch auf Hunger.

In der Schöpfungserzählung am Anfang der Bibel steht, dass wir die Erde „bebauen und bewahren“ sollen. Ich fürchte, das mit dem Bewahren haben wir nicht so gut hinbekommen bis heute.

Vor 30 Jahren wurden die Kinderrechtskonventionen der Vereinten Nationen beschlossen. Ein ökologischer Aspekt war da nicht ausdrücklich erwähnt, aber das Recht auf Leben und höchstmögliches Maß an Gesundheit und das Recht auf angemessene Lebensbedingungen.

Uns hier geht es gut. Wir sind – noch – auf der Gewinnerseite. Aber wir können so nicht weitermachen. Wir können als Christen nicht akzeptieren, dass Kinder hungern, dass sie keine vernünftigen Lebensbedingungen haben, dass sie sterben. Ob Kinder oder Erwachsene: allen soll ein menschenwürdiges Leben möglich sein.

Aber es ist schwer, das eigene Verhalten zu ändern. Das ging ja dem jüngeren Sohn auch so.

Das stimmt. Aber die Jugendlichen von Fridays for Future sagen uns ja laut genug: So geht es nicht weiter. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ Immer wieder frage ich mich, ob die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1990 in Seoul prophetische Gabe hatte.

Warum? Was haben die denn gesagt?

Die haben zehn sogenannte „Grundüberzeugungen“ aufgeschrieben. Und eine davon lautet so:

„Wir bekräftigen die Würde und das Engagement der jüngeren Generation. […] Jesus zeigte eine besondere Wertschätzung für die jüngere Generation. […] Wir erkennen ihr Recht an, bei Entscheidungen, die ihr Leben und ihre Gemeinschaft betreffen, eine prophetische Stimme zu erheben. Wir bekräftigen, dass die Rechte und Bedürfnisse junger Menschen entscheidende Kriterien für die Bestim­mung der Prioritäten in Bil­dung und Entwicklung sind. Wir werden jeder Politik oder Autorität widerstehen, welche die Rechte der jungen Generation missachtet, sie missbraucht und ausbeu­tet.“

Das klingt wirklich, als hätten sie damals schon geahnt, wie eines Tages die Jugendlichen auf die Straße gehen würden.

Darum sind wir ja auch hier: Weil wir der Politik widerstehen wollen, die die Rechte der jungen Generation missbraucht und ausbeutet“. Wir können nicht länger auf deren Kosten leben. Aber es ist so mühsam und anstrengend, alles zu ändern. Schaffen wir das überhaupt?

Der jüngere Sohn hat es geschafft, aber erst, als es ihm schon sehr schlecht ging. „Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt“, hat er gesagt. Vielleicht schaffen wir es schon bevor die Auswirkungen völlig unumkehrbar werden?

Die Erde sollen wir bebauen und bewahren, das ist unser Auftrag. 

Wir wollen gemeinsam eintreten für die, die es nötig haben. Für die Generationen nach uns, die eine lebenswerte Zukunft brauchen.

Für die armen und kranken Menschen bei uns und überall auf der Welt, die eine Perspektive brauchen.

Für die Kinder, die Platz und Zeit zum unbekümmerten Spielen brauchen.

„Du schufst, Herr, unsre Erde gut“. Das habe ich schon als Jugendlicher oft gesungen. So alt ist dieses Lied – wenig hat sich geändert. Wir beten und hoffen, dass es uns noch gelingt.

Amen.