Ansprache beim MehrWegGottesdienst: Hoffnung für alle

Hoffnung für alle?
Was für ein Thema haben wir uns da rausgesucht. 
In irgend einer Sitzung Ende 2019 bei einer Tasse Glühwein.
Wir hatten ja keine Ahnung. 
Von Corona, von allem, was da kommt.
Hoffnung für alle.
Wie blauäugig von uns.
Wie traumtänzerisch.
Wie … naiv.

Hoffnung für alle.
Ja klar.
Und die Kranken?
Die Toten?
Die Angehörigen?
Hoffnung für alle.
Was ist mit denen in den Seniorenheimen?
Eine halbe Stunde Besuch am Tag ist erlaubt.
Die Angst ist ihr Begleiter, nicht die Hoffnung.
Hoffnung für alle?
Was ist mit den Selbständigen, die vor der Pleite stehen?
Ihr Lebenswerk geht den Bach runter.
Was ist mit den Angestellten, die nicht wissen wie‘s weitergeht?
Hoffnung für alle. Na toll.
Was wäre denn diese Hoffnung? 
Wie sollen die, wie sollen wir alle denn hoffen können?

Und doch, ja: Es gibt Hoffnung.
Überall sehe ich sie aufblitzen in dieser schwierigen Zeit.
Überall sehe ich Neues entstehen.
Die Solidarität unter den Menschen.
Die neuen Wege zueinander, die wir finden, auch auf Abstand.
Und die Natur, die sich zusehends erholt.
Hoffnung für alle: Was wird bleiben davon? Wie sehr wird die Welt eine andere sein, wenn das alles mal halbwegs überstanden sein wird?

Ein Zukunftsforscher, Matthias Horx, hat uns fasziniert.
Er nimmt uns mit, ein paar Monate nur, in die Zukunft.
Und blickt zurück auf heute.
„Wir werden uns wundern!“ sagt er.
Wir werden uns wundern, dass die sozialen Verzichte, die wir leisten mussten, selten zu Vereinsamung führten. Im Gegenteil. Nach einer ersten Schockstarre fühlten viele von sich sogar erleichtert, dass das viele Rennen, Reden, Kommunizieren auf Multikanälen plötzlich zu einem Halt kam. Verzichte müssen nicht unbedingt Verlust bedeuten, sondern können sogar neue Möglichkeitsräume eröffnen. Soweit Horx.
Wir werden uns wundern. Wundern darüber, was die Krise alles möglich macht.
Wir werden uns wundern, wie gut manches gelaufen ist.
Trotz aller Sorgen, trotz aller Krankheit.
„Wir werden uns wundern“, sagt Horx.

Wenn du eines Tages, hoffentlich, zurückblickst auf diese Corona-Zeit: 
Worüber würdest du dich gerne wundern?
Welche Wunder erhoffst du dir?
Woraus könnte eine Chance erwachsen - 
für dich, ganz persönlich, in dieser schwierigen Situation?

Ihr werdet euch wundern.
Das sagt, sinngemäß, auch die Bibel. 
Dann, wenn es um die letzten Dinge geht.
Um den Tod, der uns heute näher gerückt ist, als uns lieb ist.
Doch Gott – für ihn und damit auch für uns ist der Tod nur eine kleine Schwelle.
So, wie die Pflanzensamen, die wir in der Kirche verteilen, vergehen müssen. Damit etwas Neues entsteht. Eine Blume, schön und groß.
So, heißt es in der Bibel, wird es mit uns auch sein. Es gibt Hoffnung für uns, die stärker ist, stärker selbst als der Tod.
Klar, das tröstet kaum jemanden, der gerade einen Verlust erlitten hat.
Aber es ist das, was wir glauben, woran wir versuchen festzuhalten:
Selbst der Tod ist nicht das Ende.
Es gibt Hoffnung. Hoffnung für alle.
Sogar für die Toten.
Für alle.

Doch heute, da will ich bei den viel irdischeren Hoffnungen bleiben.
Ein bisschen weg von diesem allumfassenden Corona-Thema.
Hoffnung für alle:
Welche Hoffnungen hast du? 
Für dein Leben? 
Für deine Zukunft? 
Wie soll dein Leben weiter verlaufen? 
Ich weiß, das sind gar keine leichten Fragen. 
Welche Hoffnung trägst du selbst in dir? 
Wie stellst du dir vor, dass dein Leben weitergehen soll? 
Und – warum tust du‘s denn nicht? 
Gerade jetzt, in der Krise, hast du die Chance, etwas Neues zu beginnen.
„Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist.
Es ist nur deine Schuld, wenn sie so bleibt“.
So singen die Ärzte.
Ich würde es positiver ausdrücken:
Es ist deine Chance, sie besser zu machen, diese Welt.
Sie mit Hoffnung anzufüllen bis an den Rand.
Andere zu finden, die mitmachen.
Wir werden uns wundern,
wie viel Hoffnung verborgen ist
in uns allen.

Es gehört Mut dazu, Dinge anzupacken und zu ändern. 
Das ist nicht leicht.
Alte Gewohnheiten stehen im Weg.
Und immer auch die Angst, dass es schiefgehen könnte.
Aber wir haben die Hoffnung, dass Gott dabei ist. 
„Fürchte dich nicht!“ - kein Satz steht häufiger in der Bibel.
Fürchte dich nicht, Gott ist mit dir. 
Das heißt nicht, dass alles immer sofort gut wird, nein, überhaupt nicht. 
Aber das heißt: Ganz egal, was kommt: Du bist nicht allein. 

Wir werden uns wundern. 
Über die Zukunft. 
Über uns selbst.
Über das, was gerade jetzt an hoffnungsvollen Dingen wächst.
Wir werden uns wundern über diese Verschnaufpause, die die Erde so nötig hatte. 
Wir werden uns wundern über die Welt, die kommt. 
Und: Wir werden uns die Hoffnung bewahren. 
Darauf, dass die Welt eine bessere wird.
Lasst uns die Erde füllen bis zum Rand
mit Hoffnung.
Hoffnung – für alle. Amen.