Predigt: Bis zum Tod und wieder zurück!

Predigt am Ostersonntag 2016

Oerlenbach, 27.3.2016

Text: 1. Kor 15, 1-11
Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, 2 durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, daß ihr umsonst gläubig geworden wärt. 3 Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; 4 und daß er begraben worden ist; und daß er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; 5 und daß er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. 6 Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. 7 Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. 8 Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. 9 Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, daß ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. 10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. 11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir, und so habt ihr geglaubt.

 

“Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?“ fragt Gott. “Bis zum Tod - und wieder zurück.“ #Ostern

Ein von Heiko Kuschel (@kuschelkirche) gepostetes Foto am

Liebe Gemeinde!

Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab? So fragt der kleine Hase den großen Hasen. Immer größer werden die Vergleiche. Und am Schluss sagen sie: Bis zum Mond und wieder zurück, so lieb hab ich dich! Dann schläft der kleine Hase glücklich ein.

Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab? So fragt Gott uns. Und immer wieder zeigt er es uns. Manchmal in ganz kleinen Dingen. In einem köstlichen Frühstück. Im Lächeln eines anderen Menschen. Oder ganz groß: Im Schrei eines neugeborenen Kindes. Im Kuss eines geliebten Menschen. In der Sonne, die mich kraftvoll wärmt.

Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab? So fragt Gott. Manchmal zeigt er es uns in schweren Zeiten. Dann, wenn wir voller Trauer sind. Dann, wenn wir versagt haben in unseren Plänen. Dann, wenn wir keinen Weg mehr finden. Dann zeigt uns Gott: Ich hab dich lieb. Es ist egal, wenn du nicht den Anforderungen entsprichst. Es ist egal, wenn deine Pläne nicht aufgehen. Es ist völlig egal, ob du immer gut gelaunt bist oder traurig oder genervt oder was auch immer: Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab? So sagt Gott.

Das Alte Testament berichtet immer wieder von den Liebesbeweisen Gottes. Davon, dass er zu den Menschen sprach. Davon, dass er einen Bund mit Abraham geschlossen hat und einen mit Noah. Davon, dass er dem Volk Israel Propheten schickte und Menschen, die dieses Volk ermahnen und ihm helfen sollten. Menschen, die dem Volk Israel die Botschaft weitergeben sollten: Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?

Zuletzt jedoch schickte er den größten Liebesbeweis, den er erbringen konnte: Seinen eigenen Sohn. Und der erzählte nicht nur von Gottes Liebe. Er praktizierte sie. Er heilte Menschen, er ging auf die zu, die zu kurz gekommen waren. Ganz ohne Vorbehalte war er für alle da und verbreitete die Botschaft Gottes: „Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?“ Gottes Antwort, die größte, die er geben konnte, war noch viel weiter als bis zum Mond und wieder zurück. Seine Antwort war: Bis zum Tod und wieder zurück.

Vorgestern standen wir unter dem Kreuz. Bis zum Tod. Orgel und Glocken verstummten. Alle Hoffnung war am Ende für Jesu Jüngerinnen und Jünger. Das Leben am Ende. Die Welt hielt den Atem an. „Bis zum Tod“ - doch weiter?

Heute dagegen, heute feiern wir: Und wieder zurück! Gottes Liebe hat sich als stärker erwiesen als der Tod. Bis zum Tod und wieder zurück, so sehr liebt Gott die Welt, das Leben, die Menschheit.

Bis zum Tod und wieder zurück. Dass einer von dort zurückkommt, das war damals so unglaublich wie heute. Und doch hatte sich diese Geschichte im Lauf der ersten Jahrzehnte ausgebreitet über die ganze damals bekannte Welt. Und das war vor allem einem Menschen zu verdanken: Paulus. Denn er war es, der auf seinen Missionsreisen überall rund um das Mittelmeer predigte und Gemeinden gründete. Er war es, der mit den neu gegründeten Gemeinden über Briefe in Kontakt blieb.

Doch in Korinth hatte es wohl Streit darüber gegeben, wer diese Botschaft eigentlich richtig verkündet. Konnte Paulus das überhaupt? Hatte er die Autorität dazu? Schließlich war er doch gar nicht mit Jesus unterwegs gewesen, ganz im Gegenteil: Als Saulus hatte er die christliche Gemeinde zuerst brutal verfolgt! Er war doch ein Versager, von Grund auf. Wie konnte er denn glaubwürdig von diesem Jesus erzählen?

Paulus nimmt diese Kritik auf. Um zu zeigen: Ich stehe auf der gleichen Glaubensbasis wie alle Christen, zitiert er hier ein ganz altes Glaubensbekenntnis. Eine Formel, die alle Christen benutzten, so wie wir heute unser Glaubensbekenntnis, das uns auch über alle Grenzen hinweg vereint.

Er sagt damit: Ja, ich gehöre dazu. Und er betont: Auch mir ist Jesus erschienen. Erst nach seinem Tod, nach seiner Auferstehung, aber er ist mir erschienen. Ich, der ich die Christen einst verfolgte, sogar ich bin Gott nicht zu schlecht, zu unehrenhaft, zu sehr vom Weg abgekommen. Er wollte und will mich gebrauchen. Ich bin sein Werkzeug geworden. Er hat auch zu mir gesagt: Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?

Bis zum Tod und wieder zurück.

Was würden wir uns das manchmal wünschen, wenn es das auch für manche Freunde und Angehörige gäbe. Wenn es ein „Zurück“ gäbe nach den schrecklichen Anschlägen in Paris, Brüssel, fast täglich in Israel, in Bagdad, in Nigeria. Wenn es ein „Zurück“ gäbe nach einer Krebsdiagnose oder einem schweren Verkehrsunfall. Wenn es ein „Zurück“ gäbe, das einen Satz ungesagt machen würde oder ungeschrieben, eine Handlung ungeschehen, einen Weg ungegangen.

Bis zum Tod und wieder zurück. So sehr hat Gott die Welt geliebt. Jesus war sich dafür nicht zu schade, er war nicht zu feige. Er hielt an der Liebe fest – bis zum Tod.

Das macht all unsere kleinen und großen Fehler, unsere Krankheiten, unsere Verletzungen, unsere Eitelkeiten nicht ungeschehen. Da gibt es kein „und wieder zurück“. Wir sehen ja, wie unsere Welt aussieht, wie sehr sie genau daran krankt, dass wir so oft unseren eigenen Vorteil suchen. Aber Ostern nimmt diesen Dingen ihre Letztgültigkeit. Vor Gott zählt all das nichts. Vor Gott kann auch ein Saulus Bestand haben, ja sogar zu etwas Besonderem werden. Vor Gott können auch wir bestehen. Nicht, weil wir so toll wären. Sondern weil Jesus für uns diesen Weg gegangen ist, in Liebe: Bis zum Tod – und wieder zurück.

Vielleicht denken Sie heute besonders an einen Menschen, der letztes Jahr an Ostern noch bei uns war. Jemanden, von dem Sie Abschied nehmen mussten. Ostern heißt für uns nicht: Wieder zurück auf diese Welt. Das ist der Unterschied zum Buddhismus und Hinduismus. Dessen Anhänger glauben, dass wir immer wieder auf diese Welt geworfen werden und uns irgendwann von diesem bedrückenden Rad der Wiedergeburt befreien müssen. Ostern heißt für uns nicht: Immer wieder zurück, ob wir wollen oder nicht. Ostern heißt für uns: Bis zum Tod – und weiter!

Das ist die Hoffnung, die wir haben. Die Hoffnung, die wir heute feiern. Gott gibt uns nicht auf, trotz all unserer großen und kleinen Versagen. Gott gibt uns nicht auf, trotz Paris und Brüssel, trotz Idomeni, trotz unserer eigenen kleinen und großen Lebenslügen, trotz unserer Verstrickung in so viele Zusammenhänge. Gott gibt uns nicht auf. Er liebt uns. Bis zum Tod – und weiter.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alles unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.