Predigt: Blick zurück in Liebe

Ansprache zur Andacht zum 30jährigen Abiturtreffen des Celtis-Gymnasiums Schweinfurt

Liebe Ex-Abiturienten!

Es tut mir Leid, das sagen zu müssen, aber: Sie werden alt. Tja. Ich habe noch 3 Jahre vor mir bis zu diesem Jubiläum, aber was sind schon drei Jahre. Also: Ich werde auch alt. Der Bart wird nicht nur grau, sondern weiß. Die Kinder sind zum Teil schon aus dem Haus, manche von Ihnen haben vielleicht schon Enkel.

An einem Tag wie heute, an dem man mit Freunden von früher zusammentrifft, ist klar: Wir schauen zurück. „Und, was ist aus dir geworden?“ Wir treffen Menschen, die wir sehr lange nicht mehr gesehen haben. Staunen vielleicht darüber, welche Entwicklung sie gemacht haben. Erkennen manche gar nicht wieder.

Und erzählen selber. Davon, was wir alles erreicht haben. Beruf. Ehe vielleicht und Kinder. Das, was nicht so toll lief, verschweigen wir vielleicht lieber. Die Momente, in denen wir versagt haben. Den ewigen Streit zu Hause. Die vielen Tränen, die vermutlich bei den meisten von ihnen irgendwann geflossen sind in den letzten 30 Jahren. Das geht die anderen nicht so viel an, das ist zu persönlich. Ich kenne Sie alle nicht, deshalb kann ich da auch nicht konkreter werden. Aber ich bin mir sicher, dass Sie jetzt bestimmte Momente aus den letzten 30 Jahren Ihres Lebens vor Augen haben. Besonders schöne – und besonders traurige. Beides gehört dazu.

Weinen hat seine Zeit
und Lachen hat seine Zeit.
Wehklagen hat seine Zeit
und Tanzen hat seine Zeit.

Wie sieht Ihr ganz persönlicher Rückblick aus? Was bleibt von diesen 30 Jahren seit dem Abitur? Überwiegt das Lachen oder das Weinen, das Wehklagen oder das Tanzen?

Oft werde ich ja von Leuten gefragt: „Wenn es einen Gott gibt, wie kann er das alles zulassen, was mir geschieht?“ Leid, Krankheit, Schmerzen, sogar Tod: Warum nimmt Gott das nicht einfach weg, wenn er doch Gott ist?

Eine wirklich befriedigende Antwort darauf gibt es nicht, nur verschiedene Ansätze. Meiner ist, dass Gott uns die Freiheit lässt. Zum Guten wie zum Bösen. Nicht alles ist damit erklärbar. Aber viele unserer Probleme sind hausgemacht. Die Kriege und auch die Flüchtlingsströme, die jetzt zu uns kommen. Manche der Naturkatastrophen, weil wir einfach drauflosgebaut haben, ohne den Hochwasserschutz genügend zu berücksichtigen. Und weil wir mit unserer Lebensweise das Weltklima verändern. Vielleicht sollten wir umgekehrt lieber fragen: Warum unternehmen wir Menschen nichts gegen das Leid in der Welt, obwohl wir doch die Freiheit dazu hätten? Es wäre möglich: Sauberes Trinkwasser für alle auf der Welt würde gerade mal so viel kosten, wie wir in Europa für Eis ausgeben.

Jetzt bin ich aber ganz schön weit weggekommen von „30 Jahre Abitur“. Ich hoffe, dass bei Ihnen trotz allem das Positive überwogen hat in diesen Jahren. Was könnte ich Ihnen anbieten – sozusagen als Leitfaden für ein Leben? Ich komme gerade von einer Trauung, und das Brautpaar hat sich den beliebtesten Trauspruch überhaupt ausgesucht. Vielleicht haben manche von Ihnen den auch mal gehabt:

„Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“

Die Liebe ist die größte. Es klingt ein wenig abgedroschen, aber ich glaube, es kann ein guter Wegweiser fürs Leben sein – und auch ein guter Hintergrund, um das bisherige Leben anzusehen und zu gewichten. Ein guter Leitfaden, um auch im eigenen Leben Dinge zum Besseren zu wenden.

Liebe: Das ist ja nicht nur Herzschmerz und Händchenhalten. Das ist auch einfach nur mal jemanden freundlich anlächeln, der einem entgegenkommt. Das ist auch dem Kollegen, der Kollegin eine Arbeit abnehmen, wenn's ihm oder ihr nicht gut geht. Liebe, Freundlichkeit, Menschlichkeit. Hört sich irgendwie etwas altmodisch an. Aber ich glaube: Nur so kriegen wir das hin mit einer besseren Welt. Und der Prediger Salomo, den wir vorhin gehört haben, fügt noch eines hinzu:

Ich bin zu der Erkenntnis gekommen: Das Beste, was der Mensch tun kann, ist, sich zu freuen und sein Leben zu genießen, solange er es hat.

Und was hat nun Gott damit zu tun? Für den Prediger Salomo ist eines klar: Das alles kommt von Gott. Er hat uns da hin gestellt, wo wir sind, und alles Gute kommt von ihm. Das Schlechte auch. Und es ist auch nicht unser Verdienst, wenn es uns gut geht. Es kann auch anders sein: Viele, die jetzt zu uns kommen aus Syrien und anderen Ländern, waren ja auch nicht arm, sie hatten ein Haus, einen Beruf, ein geordnetes Leben, jetzt haben sie nichts mehr. Und wir? Es ist nicht unser Verdienst, dass wir in einem der reichsten und friedlichsten Läder aufgewachsen sind. Wir können nur dankbar sein. Dankbar – und liebevoll.

Amen.