Predigt: Wunder sind ungerecht!
Text: Apg 3, 1-10
Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. 2 Und es wurde ein Mann herbeigetragen, lahm von Mutterleibe; den setzte man täglich vor die Tür des Tempels, die da heißt die Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. 3 Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. 4 Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! 5 Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. 6 Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher! 7 Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, 8 er sprang auf, konnte gehen und stehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. 9 Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben. 10 Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor der Schönen Tür des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte; und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war.
Wie schön das wäre. Wunder wirken. Einfach so.
Wenn ich das könnte – ich würd‘s den ganzen Tag tun.
Würde den Krebskranken heilen und die Rollstuhlfahrerin.
Den Blinden und die Frau mit der seltenen Blutkrankheit.
Aber auch die Traurigen, die Mutlosen,
die, deren Blick nach unten geht.
Die Armen, die Hungrigen, die Elenden.
Und die kaputte Festplatte.
Was wäre das für eine Welt.
Kein Heulen und Zähneklappern.
Kein Leid, kein Geschrei, kein Schmerz.
Keine Angst vor Klimawandel,
kein Plastik in den Weltmeeren.
Keine brennenden Wälder
Keine überschwemmten Pazifikinseln.
Kein Krieg, keine Flucht, keine Folter.
Niemand müsste mehr protestieren.
Niemand müsste mehr fliehen.
Allen ginge es gut.
Wie schön das wäre. Wunder wirken. Einfach so.
Kommt her zu mir alle!
Ich heile euch.
Ist doch ungerecht, Gott.
Was hatten die damals, was ich nicht habe?
Warum konnten Petrus und Johannes diesen Menschen heilen?
Und warum taten sie es nicht den ganzen Tag?
Warum nur diesen einen?
Warum hat eigentlich auch Jesus nicht den ganzen Tag geheilt?
Kranke hätte es genug gegeben, das ist sicher.
Was ist mit denen, die keine Heilung abbekommen haben?
Ist doch ungerecht, Gott.
Warum dieser eine?
Warum nicht mein guter Freund, der so leiden musste?
Warum nicht die ganze Welt?
Ich würde das machen, Gott. Wenn ich du wäre.
Aber ich bin nicht du.
„Meine Wege sind nicht eure Wege, und meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, spricht der Herr“. Der Satz aus Jesaja hängt mir nach, seit vielen Jahren.
Du bist anders.
So anders, Gott,
ich verstehe dich nicht.
Wie durch einen Vorhang, der gelupft wird,
nur ein kleines Stück,
so scheint dein zukünftiges Reich
in unsere Welt.
Einer wird geheilt.
Die anderen nicht.
Noch nicht.
Und doch ahnen wir,
sehnen wir,
hoffen wir,
wie es sein wird.
Bei dir.
Wenn der Vorhang fällt.
Wenn wir ganz bei dir sein werden.
Wenn kein Leid, kein Geschrei, kein Schmerz mehr sein werden.
Wie schön das wäre. Wunder wirken. Einfach so.
Aber nicht ich bin‘s, der sie wirkt.
Sondern du.
Und das ist gut so, Gott.
Ich würde alles wollen, jetzt gleich.
Das Reich Gottes auf Erden.
Doch ich muss bescheiden sein.
Mich erfreuen am Licht,
das durch den Vorhang fällt.
Und trotzdem nicht die Hände in den Schoß legen.
Mit heißem Herzen und mutigen Schritten
das Licht weitergeben.
Lieben und helfen, als ob alles Beten nichts nützte
Beten, als ob alles Lieben und helfen nichts nützte.
Froh, hoffnungsvoll, erlöst
in Wort und Tat von dir erzählen.
Wie schön das wäre. Wunder wirken. Einfach so.
Jesus hat‘s getan.
Immer wieder.
Bei ihm stand der Vorhang weit offen.
Und am Kreuz hat er ihn zerrissen.
Für uns.
Wir leben noch in dieser verhängten Welt,
voller Ungerechtigkeit, Angst, Hass, Krankheit und Leid.
Und wissen doch:
Es ist vorbei.
Eines Tages.
Bei dir.
Es ist schwer, so schwer,
das anzunehmen:
Dein Reich kommt nicht sofort.
Es wird nicht sofort alles gut.
Aber wir hoffen auf dich, Gott.
Und hoffen auf die kleinen Wunder,
die uns zeigen: Dein Reich kommt!
Wie schön das wäre. Wunder wirken. Einfach so.
Doch nicht von uns kommt es, Gott.
Nicht von mir.
Du bist es, der das größte Wunder wirkt:
Am Ende unseres Lebens
öffnest du den Vorhang weit
und lässt uns neu erstrahlen.