Predigt beim Mittelaltergottesdienst: Gott allein genügt!

Text: Psalm 46

Gott ist unsere Zuversicht und Stärke; eine Hilfe, in Nöten kräftig erfunden. Darum fürchten wir uns nicht, wenn auch die Erde weicht und die Berge mitten ins Meer sinken, wenn gleich seine Wasser wüten und toben und vor seinem Übermut die Berge zittern.

Ein Strom mit seinen Bächen erfreut die Stadt Gottes, die heiligen Wohnungen des Höchsten. Gott ist in ihrer Mitte, sie wird nicht wanken; Gott wird ihr helfen, wenn der Morgen anbricht.

Die Völker tobten, die Königreiche wankten, als er seine Stimme hören ließ; und die Erde verging. Mit uns aber ist der Herr der Heerscharen; der Gott Jakobs ist für uns eine feste Burg! 

Kommt her, schauet die Werke des Herrn, der auf Erden Verheerungen angerichtet hat, der den Kriegen ein Ende macht, der den Bogen zerbricht, den Speer zerschlägt und die Wagen mit Feuer verbrennt! 

Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin; ich will erhaben sein unter den Völkern, ich will erhaben sein auf Erden. Der Herr der Heerscharen ist mit uns, der Gott Jakobs ist unsere feste Burg!

Also, diese dicken Stadtmauern, die da hinter uns sind, Prediger Kuschel, die halten erst mal die Feinde von unserer Stadt Schweinfurt ab. Aber ich finde: noch besser wäre es, auf einer Burg zu sein. Habt Ihr's gehört, bei Eisenach im Thüringischen, dort auf der Wartburg, da gab es vorige Woche einen großen Sängerwettstreit?

Nein, Meister Göbel, das hab ich noch nicht gehört. Ich weiß nur, dass ein gewisser Martin Luther sich dorthin geflüchtet hat, weil er sich dem Bann des Papstes entziehen wollte. Und er war dort wohl richtig produktiv. Wisst Ihr, was er nämlich getan hat? 

Ne, erzählt mal, da wisst Ihr wieder mehr als ich. 

Also, Martin Luther hat auf der Wartburg die Heiligen Schriften des Neuen Testamentes aus dem Griechischen in unsere Muttersprache übersetzt -  und das in sage und schreibe nur dreizehn Wochen! So wird es wenigstens erzählt.

Na das ist echt eine große Leistung! Wenn ich mir vorstelle, wie lange ich brauche, einen einzigen griechischen Satz zu übersetzen! Ich finde, es wäre tatsächlich mal an der Zeit, dass die Leute in den Gottesdiensten auch mal was von dem verstehen, was der Priester da hinter ihrem Rücken macht. Die verstehen nämlich bei der Wandlung immer nur Hokus Pokus, wenn der Priester beim Abendmahl die Hostie hochhebt, wo er doch eigentlich den Heiligen Leib Christi meint. 

Ja, aber ob WIR das nochmal erleben, dass unsere Gottesdienste in unserer Muttersprache abgehalten werden? - ICH glaub´s ehrlich gesag nicht. Unsere Kirche hat doch ganz andere Probleme. Jetzt, wo dieser Luther auch noch gegen die Bußpraxis wettert. Da gibt es gewaltig viel Unruhe landauf landab.  

Das denke ich auch - so wie es momentan hier in unseren Landen zugeht. Aber ich frage mich ja auch, Prediger Kuschel: Was ist denn das Wichtige an unserem Glauben? Warum glauben wir eigentlich? Und an welchen Gott denn?

Ja, an welchen Gott glauben wir? Also ICH glaube an einen Gott, der barmherzig ist und nicht an einen solchen, den einige Mönche und Gelehrte hier verbreiten. Die prophezeien nämlich für die Menschen nach ihrem Tode die schlimmsten Höllenqualen, so dass viele schon zu Lebzeiten schlaflose Nächte bekommen. 

Ich denke auch, so streng kann unser Gott doch nicht sein! Aber wir dürfen das wohl nicht so laut sagen, sonst fließen keine Spenden mehr beim Volk in die Kassen der Kirche. Mir selbst gefällt da eher das, was der Psalmist aus dem Alten Testament Gott beschreibt. Er vergleicht Gott nämlich mit einer festen, gut gesicherten Burg.   

Wieso ausgerechnet mit einer Burg? Dort, wo eh nur die Begüterten und Reichen leben, das soll die einfachen Menschen   unseres Volkes trösten?

Ja, da habt Ihr schon Recht. Aber das gläubige Volk braucht diese Bilder eines starken Gottes, der den Menschen hilft, und sie nicht verurteilt und vernichten will. Ich finde die echt stark. Wir haben es doch gerade gehört, was der 46. Psalm dazu sagt. Ich zitiere nochmal:  

"Gott ist unsere Zuversicht und Stärke; eine Hilfe, in Nöten kräftig erfunden. Darum fürchten wir uns nicht. 
Gott ist in unserer Mitte, so wird die Stadt nicht wanken; Gott wird ihr helfen, wenn der Morgen anbricht.
Der Herr der Heerscharen ist mit uns, Er, der Gott Jakobs ist für uns eine feste Burg! 
Kommt her, schauet die Werke des Herrn, der den Kriegen ein Ende macht, der den Bogen zerbricht, den Speer zerschlägt und die Wagen mit Feuer verbrennt! 
Seid stille und erkennet, dass ich Gott bin; 
Der Herr der Heerscharen ist mit uns, der Gott Jakobs ist unsere feste Burg!"

Ihr habt mich überzeugt, Meister Göbel. Wenn ich so nachdenke, ist das ein richtig schöner Vergleich. Ja, so wünsche ich mir Gott auch: stark, mächtig, ein Gott, der das Gute für uns Menschen will und endlich den vielen Kriegen und Nöten in unseren Landen ein Ende bereitet ...  Aber dann frage mich ernsthaft: wie kommt man zu so einem Gottesbild? Ob das je mal einer von uns auch so glauben kann?

Hm, da habt Ihr auch wieder recht. Da sollten wir vielleicht mal auf die Experten zugehen. Ich meine da die Mystiker, die sich mit solchen Fragen beschäftigt haben.


Ihr meint, wie man sein Leben auf Gott ausrichten kann? Auf einen Gott eben, der uns Menschen grundsätzlich gut gesonnen ist und eigentlich unser Bestes will und nicht uns ständig unsere Unvollkommenheit und Sünden vorhält. Das wäre es doch. Keine Droh-Botschaft, sondern eine frohe Botschaft. Oder lateinisch: Ein Evangelium! Vielleicht werden wir doch eines Tages alle sozusagen evangelisch. Verkünder der frohen Botschaft.
Genau das ist es, Prediger Kuschel. Darüber machen sich in unseren unruhigen Zeiten immer mehr Leute Gedanken, Männer wie Frauen. Es sind vor allem Mönche und Schwestern, die sich in die Stille der Klöster zurückgezogen haben. Vor allem aus dem fernen Spanien kommen da gerade viele Schriften zu uns. Da könnt Ihr sicher auch einige Impulse in Euren Predigten verarbeiten. Aber ich warne Euch: Passt auf, dass Ihr auch noch ein bisschen Höllenfeuer und Verdammnis mit einstreut, sonst werdet Ihr noch als Ketzer verbrannt. 

Das möge mir nicht geschehen! Trotzdem, erzählt mal, jetzt habt Ihr mich aber neugierig gemacht!

Na ja, in Ávila in Zentralspanien hat eine Nonne, sie heißt Theresa vom Orden der Karmelitinnen ein Buch geschrieben - und da geht es, sieh mal an, auch um das Bild der Burg. Das Buch, das ich in die Hände bekommen habe, heißt: "Die innere Burg". Es geht ihr darum, einen geistlichen Weg zu beschreiben, den der Mensch zu Gott hin geht - gleichsam von außen nach innen. Also wie bei einer Burg, wo man zunächst die Außenanlagen beschreitet und dann erst nach und nach ins Innere vordringt.  

Hm, das klingt ja gut. Das wäre tatsächlich mal was für eine Predigt, die sich von den grauenhaften Predigten unterscheidet, die da manche aus dem Klerus dem einfachen, leichtgläubigen Volk zumuten. 

Genau. Und es gibt ja noch mehr solcher Menschen in unseren deutschen Landen, die es ganz ernst mit der Nachfolge Jesu genommen haben. Ich denke da nur an Franziskus oder Elisabeth, die beide in Reichtum aufgewachsen sind, dem Reichtum aber dann ganz abgesagt und sich den Armen und Kranken zugewendet haben.   

Ihr habt recht. Wir haben so viele gute Vorbilder, die uns zeigen, wie Menschen ernst gemacht haben mit ihrem Glauben und ihren Überzeugungen, dass allein Gott genügt. 

Ja, Gott allein genügt. "Nada te turpe nada despante, solo a Dios tiene nada le falta. Solo Dios basta." Genau das war der Leitspruch von Teresa aus Spanien: "Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken. Wer sich an Gott hält, dem fehlt nichts. Gott allein genügt." 

Na, das ist doch ein gutes Schlusswort. Möge über das Leben von uns allen hier diese Losung stehen: Gott allein genügt. Amen.  

Foto: Dieter Bauer