Predigt beim Motorradgottesdienst: Frühjahrs-Check für die Seele

Die Saison hat begonnen. Die meisten von euch haben vermutlich ihre Maschinen schon längst rausgeholt und alles überprüft. Ist noch TÜV drauf? Ist die Batterie in Ordnung? Wie sieht’s mit dem Öl aus, mit dem Tank?

Wie war das bei euch? Gerne könnt ihr im Chat auch eure Kommentare abgeben. Zum Beispiel: Welche Überraschungen gab es da für euch? Ein Ameisennest unterm Sattel oder was weiß ich was ihr schon erlebt habt. Erzählt es im Chat.

Das Thema hatten wir uns ja eigentlich für letztes Jahr rausgesucht. Da wussten wir noch nichts von Corona. Aber ich finde: Heute passt es sogar noch viel besser. Mir kommt es vor, als wäre auch meine Seele einen langen, langen Winter mehr oder weniger eingemottet gewesen. Die meiste Zeit habe ich in diesem kleinen Dachzimmerchen verbracht, das eigentlich ein Abstellraum ist und in dem jetzt mein provisorisches Home Office untergebracht ist. Und jetzt gerade steigen zwar die Zahlen in Stadt und Landkreis Schweinfurt nochmal gewaltig an – aber es ist zumindest absehbar, dass es irgendwann mal enden könnte. Dass es mal wieder ungefähr so sein könnte wie früher. Dass wir uns wieder körperlich begegnen, uns auch mal umarmen, gemeinsam feiern, gemeinsam in Kneipen sitzen oder auf eine Tour gehen.

Passen denn eigentlich die alten Klamotten noch? Die Schuhe, der Anzug, der Helm? Alles war abgelegt. Auch die Seele war irgendwie schutzloser in diesem Winter, viele waren dünnhäutiger, viel Streit gab es um den richtigen Umgang mit dieser Corona-Krise, das will ich hier überhaupt nicht vertiefen. Passt die alte Seelen-Schutzkleidung noch? Finden wir das richtige Maß an Selbstschutz und Öffnung für andere, wenn wir wieder aufeinandertreffen wie früher? Gerade geht es mir so, dass es mir schon unangenehm ist, wenn wir in einer Schlange anstehen und die hinter mir nur einen Meter entfernt stehen.

Die erste Fahrt mit dem Motorrad ist immer eine kleine Unsicherheit. Ein bisschen Anspannung ist dabei. Funktioniert das alles wie gewohnt? Doch dann kommt alles wieder zurück. Nichts ist verlernt. Die frische Luft ist da. Die Weite der Natur. Das Gefühl von Freiheit.

Und wie ist es mit dir? Mit deiner Seele? Hat sie noch TÜV? Ist die Batterie in Ordnung, der Tank aufgefüllt, dein Tagesablauf geölt? Oder ist da vieles eingerostet, nicht nur in Coronazeiten, sondern überhaupt?
Vielleicht ist jetzt eine ganz gute Gelegenheit, einmal darüber nachzudenken, was dir in diesem seltsamen Jahr tatsächlich gefehlt hat – und was du, vielleicht auch überraschenderweise, gar nicht vermisst.

Mach mal den Frühjahrs-Check: wo braucht deine Seele einen Werkstattaufenthalt? Wie schaffst du es, deine Batterien aufzuladen, den Tank zu füllen, die Seele zu ölen, so dass es dir gut geht und du fröhlich nach vorne blicken kannst? Was soll, nein, was wird anders werden in diesem Jahr?

Ich mache einen kleinen Moment Pause. Wenn deine Gedanken dazu nicht zu persönlich und privat sind – teile sie doch gerne mal in unserem Chat.
...

Du siehst mich, Herr, und kennst mich,
denn du hast mich geschaffen:
meinen Leib und meine Seele.
Du warst es, der mich so fein verwoben hat
im Leib meiner Mutter.

Ich danke dir, daß ich so herrlich geschaffen bin,
so wunderbar.
Deine Werke sind voller Wunder.
(aus Psalm 139 in der Übersetzung von Jörg Zink)