Predigt an Heiligabend: Von der Finsternis zum Licht
Kommet, ihr Hirten, so haben wir gerade fröhlich gesungen. Wahrlich, die Engel verkündigen heut Bethlehems Hirtenvolk gar große Freud!
Aber vielen Menschen ist gerade so gar nicht nach Freuen zumute.
Vergangenen Freitag gegen 19 Uhr wurde die Welt für viele Menschen in Magdeburg und Umgebung schlagartig dunkel.
Keine Weihnachtsfreude mehr.
Ein geliebter Mensch ist plötzlich nicht mehr da.
Oder er liegt verletzt im Krankenhaus.
Großes Entsetzen. Unverständnis. Und gleich noch mehr Hetze gegen Menschen, die bei uns Schutz suchen und doch eigentlich nur möglichst weit weg sein wollen von all diesem Hass, der Verfolgung, der Angst.
Die Welt ist dunkler geworden, auch für uns, auch bei uns.
Und dann der Ukraine-Krieg. So viele Tote. So viel Leid. So viel Dunkelheit.
Und hier bei uns?
Ja, im Verhältnis dazu geht’s uns in Deutschland gut. Doch auch bei uns zieht so oft die Dunkelheit ein. Eine Krankheit verändert plötzlich alles. Eine Freundschaft zerbricht an unterschiedlichen politischen Ansichten. Die Angst um den eigenen Arbeitsplatz überschattet alles. Ein geliebter Mensch ist plötzlich nicht mehr da.
Wie soll da Weihnachten werden?
Wie sollen wir uns da freuen können?
Wie sollen wir da dieses Licht von Weihnachten spüren können, die Freude, die Hoffnung?
Es fällt schwer, in dieser dunklen Zeit die Weihnachtsfreude zu verbreiten. Das Lob Gottes, die Freude, bleibt uns im Hals stecken.
Und dann ist da dieser Prophet Jesaja. Er lebte ebenfalls in einer dunklen Zeit, etwa 500 Jahre vor Christus. Israel als Land war besiegt.
Viele Menschen waren ins Exil nach Babylon verschleppt worden, die anderen waren nach Ägypten geflohen, im einst so stolzen Israel wohnte kaum noch jemand. Hoffnung auf einen Neuanfang gab es kaum.
Und dann ist da dieser Prophet Jesaja. Mitten in die Hoffnungslosigkeit, mitten in die Dunkelheit hinein ruft er diesen Satz:
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.
Weiß er etwas, was wir nicht wissen? Worauf will er hinaus?
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht.
So schreibt er in der bisher dunkelsten Zeit seines Volkes, als wirklich alles am Ende scheint.
Und dann schreibt er weiter. Schreibt Sätze, die viele von uns im Ohr haben und die wir ganz automatisch auf Jesus beziehen, auf den, dessen Geburt wir heute feiern.
Rund fünf Jahrhunderte vor Jesu Geburt schreibt Jesaja:
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. 2 Gott, du lässt sie laut jubeln,
du schenkst ihnen große Freude.
Sie freuen sich vor dir,
wie man sich bei der Ernte freut.
Sie jubeln wie beim Verteilen der Beute.
3 Zerbrochen hast du das drückende Joch,
die Stange auf ihrer Schulter
und den Schlagstock der Peiniger.
Es ist wie damals,
als die Midianiter besiegt wurden.
4 Verbrannt wird jeder Stiefel,
mit dem die Soldaten dröhnend marschierten.
Ins Feuer geworfen wird jeder Mantel,
der im Krieg mit Blut getränkt wurde.
5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;
6 Seine Herrschaft ist groß
und bringt Frieden ohne Ende
Er regiert als König auf dem Thron Davids
und schafft Recht und Gerechtigkeit.
So festigt und stärkt er sein Königreich
jetzt und für immer.
Der HERR Zebaot bewirkt das
in seiner leidenschaftlichen Liebe.
So sagt und schreibt es der Prophet Jesaja.
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht
Wie die Menschen damals wohl reagiert haben? Ob sie den Propheten ausgelacht haben für das, was er hier sagte? Licht, Frieden, die Soldatenstiefel verbrannt – alles das schien doch völlig unmöglich zu sein. Und war es damals ja auch. Fast 60 Jahre dauerte es, bis die Israeliten zurück konnten in ihr Land. Ein ganzes Menschenleben. Wer damals noch ein Baby gewesen war, erlebte die Rückkehr vielleicht schon nicht mehr.
Hätte Gott da nicht mal was früher eingreifen können? Könnte Gott das nicht heute auch? Einfach mal ein paar Blitze loslassen auf all die Terroristen, die Despoten in der Welt, auf alle, die den Krieg vorantreiben statt dem Frieden. Und am besten, wenn er schon dabei ist, noch auf diesen und jene, die ich nicht leiden kann.
Aber nein – so macht Gott das nicht. Gott ist einfach nicht so, wie wir Menschen das gerne hätten. Gott kommt nicht mit großem Getöse zu uns. Sondern ganz anders:
Ein Kind ist uns geboren. Ein Sohn ist uns gegeben. Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht.
Was sollte das heißen? Fragten sich sicher schon die Israeliten im Exil.
Was soll ein kleines Kind schon bewirken?
Wie soll bitteschön ein Kind die Welt verändern?
Scheint unmöglich zu sein.
Und doch sind wir heute hier und feiern die Geburt eines kleinen, unscheinbaren Kindes, die vor über 2000 Jahren stattfand.
Es scheint unmöglich zu sein, das mit dem Licht in der Dunkelheit.
Und doch zünden wir heute Lichter an, überall.
Vielleicht nicht das große Licht, das blendet nur.
Aber viele, viele kleine, die zusammen zu einem großen weltweiten Licht der Hoffnung werden.
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht.
„Ja sorry“, sagen die, die grad im Finstern wandeln. „Wir spüren das nicht. Wir können es nicht sehen. Vor lauter Trauer, lauter Angst, lauter Hass haben wir keinen Blick für dieses Licht.“
Ja: Manche, viel zu viele, werden das Licht von Weihnachten nicht sehen können dieses Jahr. Vielleicht werden sie es viele Jahre lang nicht sehen können. Vielleicht werden sechzig Jahre nicht reichen dafür, die Trauer dieser Tage aufzuwiegen.
Aber: Es ist da, das Licht. Und wir können es weitergeben. Wir müssen sogar. Damit die Welt nicht ganz und gar in Trauer und Hass und Angst verfällt.
Das ist nicht immer einfach, aber: Wir können uns dieses Kind zum Vorbild machen.
Wir können das weitergeben, was dieses Kind später, als Erwachsener, getan und gesagt hat. Wie dieser Jesus von Liebe und Versöhnung gesprochen hat, sogar den Feinden gegenüber. Wie er Menschen heilte, am Körper und an der Seele. Wie er sich den Menschen zuwandte, allen Menschen, gerade auch denen, mit denen niemand was zu tun haben wollte. Wie er Geschichten erzählte von Gott, der uns alle leidenschaftlich liebt.
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht. Und wir, wir können ein Teil davon sein. Wir sind doch so viele auf der ganzen Welt, die diese Hoffnung haben, die dieses Licht teilen. Mehr als zweieinhalb Milliarden Christinnen und Christen. Also, lasst es uns weitergeben und weitersagen:
Christ, der Retter ist da.
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht
Amen.