Klänge in der Nacht: Die Texte

Lied: Abendlied (Jonathan Böttcher)

Mose an der Kanzel

Ich bin Mose. Vor über 300 Jahren stellte man mich unter diese Kanzel. Als ein Zeichen für die Menschen: Die Predigten hier, sie stehen auf dem Grund der Zehn Gebote. Die Predigten, die hier gehalten werden, sie fußen auf dem Alten Testament. Ihr habt gemeinsame Wurzeln mit dem Judentum. Manchmal, in eurer Geschichte, da wäre es gut gewesen, ihr hättet auf dieses Zeichen geachtet.
Ich bin Mose. Vor über 300 Jahren stellte man mich unter diese Kanzel.
Vieles habe ich erlebt in dieser Zeit.
Krieg und Zerstörung.
Naturgewalten, nah und fern.
Aufstände und Revolutionen.
Putsche und Regierungswechsel.
Das große Stadtverderben.
Unendlich große Trauer und Freude.
Taufen und Beerdigungen.
Hochzeiten und Trennungen.

Erdenball

Du, Erdenball,
der du ruhelos rollst durch das All,
hab dich so gern,
sorge mich so um dich, blauer Stern.

Ach, dein grünes Kleid wird brüchig,
und dein Atem stinkt,
trübe wird das Meer.
Atlasbär und Wandertaube,
Beutelwolf und Ur
gibt es schon nicht mehr.

Aschwermittwoch

Viele meiner Lieblings-Tippfehler korrigiert mein Schreibprogramm mittlerweile von allein. Aus sit wird automatisch ist, aus Kriche wird Kirche, aus chrsitlich wird christlich und so weiter. Den Aschwermittwoch habe ich meinem Programm aber noch nicht beigebracht. Dabei ist er tatsächlich ein zuverlässiger Begleiter in meiner Schreib-Laufbahn. Aber er kommt halt nur einmal im Jahr vor. Und ist evangelischerseits ja (meistens) nicht einmal mit einem Gottesdienst behaftet, da braucht's keine Autokorrektur, für die paar Mal. Nun ja, in Gochsheim gibt es abends einen „Musikalischen Ascherwmittwoch“ (jetzt habe ich ich mich wirklich angestregt, das Ergebnis bleibt so stehen), bei dem die „Kichen-Band“ Living Colors mittlerweile immerhin ihren 22. Geburtstag feiert.

Aschwermittwoch – das ist gefühlsmäßig verbunden mit der Buße. Mit Asche. Mit traurigen Gesichtern. Bei manchen vielleicht auch mit Aufatmen: Endlich ist der Faschingstrubel vorbei, endlich geht das „normale“ Leben wieder weiter. Kein Pferd steht mehr auf dem Flur, keine Karawane zieht von Kaschemm zu Kaschemm, und auch das Fliegerlied hört man nicht mehr so oft wie in den letzten Tagen.

Recht und Gerechtigkeit

Predigt am Sonntag Estomihi 2011

Schonungen, 6.3.11

Text:Am 5, 21-24*
Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen. 22 Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speisopfer opfert, so habe ich kein Gefallen daran und mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen. 23 Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! 24 Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Liebe Gemeinde!
Faschingssonntag ist heute. Vielleicht haben Sie heute was Lustiges erwartet. Eine gereimte Predigt oder so was. Aber – ich muss Sie enttäuschen. Ganz im Gegenteil. Heute erwartet Sie eine Strafpredigt. Und das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass der Fasching vielleicht irgendwie anstößig wäre oder sonstwas. Nein, die Kritik des Amos geht viel tiefer. Da geht es nicht darum, ob wir mal ein paar Tage ein bisschen über die Stränge schlagen. Er sagt: Euer ganzes Leben wird den Ansprüchen Gottes nicht gerecht!

Wir brauchen mehr Lärm.

Michael Horn / pixelio.deZuerst dachte ich: Das ist ein Scherz. Doch nein: Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Senioren-Union, Leonhard Kuckart, beschwert sich über Kinderlärm in Wohngebieten. Kindertagsstätten und auch Spielplätze sollten doch bitteschön am besten in Industriegebiete verlagert werden – Spielplätze wahlweise eventuell nur zu bestimmten Zeiten geöffnet sein (Die Mainpost berichtet heute von einem Bolzplatz, der sonntags geschlossen ist – unter der Woche haben die Kinder ja eh wenig Zeit, da müssen sie Hausaufgaben machen...)

Im Protest gegen den Vergleich von Kinderlärm mit Presslufthämmern werden sich die meisten wohl einig sein. Trotzdem will ich dazu nicht schweigen.

Zukunftskonferenz: So gehts weiter

Foto: S. BerglerAm 27.1. luden GesprächsLaden, katholische Citypastoral und evangelische Citykirche gemeinsam zur „Zukunftskonferenz ökumenische Cityseelsorge“. Knapp vier Stunden diskutierten die 40 Teilnehmenden darüber, was Kirche in der Stadt heute ausmacht – oder ausmachen sollte. Die Ergebnisse dieses Abends werden unsere Arbeit in der Zukunft wesentlich mit bestimmen. Noch ist die Auswertung nicht abgeschlossen, doch einige wichtige Punkte haben sich für uns schon herauskristallisiert.

Für manche mag es überraschend sein, dass immer wieder der Wunsch geäußert wurde, wieder stärker die „Mystik“ und das „Geheimnis des Glaubens“ in den Blick zu rücken. Wie das in der Cityseelsorge aussehen kann, darüber werden wir uns Gedanken machen. Auf jeden Fall ist es unerlässlich, offene Räume anzubieten, sowohl zu Erstkontakten und zum Gespräch, aber auch für eben diese mystische Erfahrung.

Wir sind Bettler, das ist wahr

Predigt am 1. Sonntag nach Epiphanias
Gochsheim, 7./8.1.2006; Schonungen, 9.1.2011
Text: 1. Kor 1, 26-31

26 Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung. Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen. 27 Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; 28 und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, 29 damit sich kein Mensch vor Gott rühme. 30 Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung, 31 damit, wie geschrieben steht (Jeremia 9,22.23): «Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn!»

Liebe Gemeinde!

Als Martin Luther starb, fand man auf seinem Schreibtisch einen letzten Satz, kurz vor seinem Tod geschrieben: „Wir sind Bettler, das ist wahr“. Es ist wie ein Vermächtnis, dieser Satz. Wir sind Bettler: Wir haben nichts, womit wir vor Gott be3stehen könnten. Wir können ihm nichts geben. Wir können nur dankend empfangen. Das war es, was Luther ein Leben lang den Menschen predigte: Wir sind Bettler, das ist wahr. 

Das klingt ganz anders als unsere Vorstellung von einem guten, schönen Leben. Wer wäre schon gerne ein Bettler? Wir träumen davon, erfolgreich zu sein. Wir träumen vom großen Lottogewinn oder davon, dasss unsere Kinder oder Enkel einmal mehr Erfolg haben als wir. Die Jugendlichen träumen davon, bei „Deutschland sucht den Superstar“ und ähnlichen Sendungen groß rauszukommen. Und manche, ganz wenige, die schaffen es auch. Werden berühmt und erfolgreich. 

Aber die meisten von uns, für die bleibt das alles höchstens ein Traum. Wir sind halt einfach ganz normale Menschen, mehr oder weniger zufrieden oder unzufrieden mit dem Leben, das wir haben. Wir versuchen, unsere Sache so gut zu machen, wie wir eben können. Manchmal gelingt uns, was wir uns vorgenommen haben – und manchmal geht es auch daneben. So sind wir eben. Wir machen manches gut und manches geht daneben. Wir sind Bettler, das ist wahr. Berühmt und erfolgreich – das schaffen nur ganz wenige, und noch weniger sind wirklich glücklich damit.

Das Seltsame ist: Auch Gott, als er in Jesus auf die Welt kam, war alles andere als ein Superstar, so wie wir ihn uns vorstellen. Gerade haben wir es gefeiert, vor ein paar Wochen davon gehört: er war so arm, dass er in einer Krippe schlafen musste als Kind. Die ersten, die von seiner Geburt hörten, das waren nicht irgendwelche Weisen und Schriftgelehrten, die jeden Tag die Bibel studierten und überall hoch angesehen waren. Nein, es waren die Hirten, die, mit denen niemand etwas zu tun haben wollte, die ausgestoßenen aus der Gesellschaft. Vielleicht konnten nur sie wirklich erfassen, was das heißt: Gott wird einer von uns. Er kommt eben nicht als einer der Großen und Mächtigen, sondern ganz klein.

Und auch am Ende seines Lebens steht er da wie ein Versager: Verurteilt zum Tod am Kreuz als Schwerverbrecher. Das soll der Messias sein? Niemals! So sagen die Juden. Der Messias, das ist der Gesalbte Gottes, der das Großreich Israels wieder errichten wird, als ein Nachkomme von König David. Der die Römer aus dem Land vertreiben und Israel wieder in die politische Selbständigkeit und in eine neue Blüte führen wird. Ein Ärgernis für die Juden ist er, dieser gekreuzigte Messias. So schreibt es Paulus wenige Zeilen vor unserem Predigttext: Wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit. 

Auch die Griechen, also die Philosophen der damaligen Zeit, können das nicht akzeptieren: Für sie ist Gott per Definition etwas Großes, Unnahbares, vielleicht sogar Unveränderbares. Jedenfalls ein Wesen, das so weit weg ist von uns, dass wir uns nur noch klein und unbedeutend vorkommen können. Ein Gott, der leidet und stirbt am Kreuz? Unvorstellbar! So etwas ist töricht. Wer daran glaubt, ist selber schuld.

Doch genau das ist die Botschaft des Paulus: Gott macht aus dem Kleinen, Unbedeutenden etwas Großes. Aus dem Menschen Jesus, der vor der ganzen Welt als Versager dasteht, macht er den Sohn Gottes, den Messias, den Auferstandenen, der den Tod für uns besiegt hat. Aus kleinen, oft unbedeutenden Menschen, wie wir uns manchmal selber vorkommen, macht er Menschen, die etwas bewirken können. Sei es hier in unserer Gemeinde, wo viele mit ihrer Musikalität zu unseren Gottesdiensten beisteuern, mit Verantwortung tragen in Gruppen, Kreisen und Gremien. Sei es in der Familie, wo viel mit ihren oft so gering geschätzten Fähigkeiten sich aufreiben, den Haushalt führen, vielelicht noch die Oma oder den Opa pflegen. Sei es unter Freunden, wo einer vielleicht einmal das richtige, tröstende Wort für einen anderen hat. Das sind Dinge, die viel wichtiger sind als Ruhm und Ehre. Aber selbst das – vor Gott zählt es überhaupt nichts. Kein Mensch kann sich vor Gott rühmen, dass er Gottes Willen vollkommen gerecht wird. Kein Mensch kann von sich sagen, dass er Gottes Gebote vollkommen erfüllt. Nur einer hat das jemals getan, und der wurde von den Menschen dafür verachtet: „was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt; was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt.“ Für ihn zählt nicht, was wir leisten, ob wir Superstars sind oder arme Schlucker, ob wir reich und angesehen sind oder einsam und verbittert. Für ihn zählt nur eines: Dass wir zu Jesus Christus gehören. Dass wir vor Gott treten und erkennen: Wir haben uns Gottes Liebe nicht verdient. Wir sind Bettler vor ihm, die ganz und gar auf seine Gnade angewiesen sind. Nur einer kann uns helfen. Einer, der genauso war. Den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit, aber von Gott gemacht uns zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung.

Ein seltsamer Glaube ist das, so haben die Gelehrten damals geurteilt. Die jüdischen Schriftgelehrten ebenso wie die griechischen Philosophen. Das kann doch keiner ernst nehmen. Und gerade dieses Urteil über unseren Glauben ist es, das mich noch mehr davon überzeugt: Das, was damals geschehen ist, das hätte sich kein Mensch ausdenken können. Das war so völlig gegen das Denken der damaligen Zeit. Aber dieser Jesus, dieses Ärgernis, diese Torheit: Die Botschaft davon hat die Zeit überdauert. Und bis heute verlassen wir uns darauf: Gott nimmt uns an. Mit allen unseren Fehlern und Schwächen. Er kommt zu uns, er ist einer von uns geworden. Und – er stärkt uns heute/morgen in Brot und Wein. Er hat uns berufen durch die Taufe. Wir gehören zu ihm, nicht, weil wir es verdient hätten, sondern weil er es uns schenkt: Wir sind Bettler, das ist wahr.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
 

Jahreslosung 2011: Lass dich nicht vom Bösen überwinden!

Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Römer 12,21

Ein Hund streunt über das Volksfest. Er schnüffelt an den Würstchenbuden,
hebt sein Bein hier und da, folgt den interessanten Düften und Klängen.

Schließlich kommt er an ein Spiegelkabinett. Sie wissen schon: So ein Labyrinth aus Spiegeln, durch die man sich seinen Weg suchen muss. Die Dame an der Kasse ist gerade beschäftigt und bemerkt den Hund nicht. So schlüpft er unbemerkt hinein.

Das Licht der Welt

Predigt am zweiten Weihnachtsfeiertag 2010
Ottendorf, 26.12.2010
Text: Joh 8, 12-16
Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. 13 Da sprachen die Pharisäer zu ihm: Du gibst Zeugnis von dir selbst; dein Zeugnis ist nicht wahr. 14 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Auch wenn ich von mir selbst zeuge, ist mein Zeugnis wahr; denn ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wißt nicht, woher ich komme oder wohin ich gehe. 15 Ihr richtet nach dem Fleisch, ich richte niemand. 16 Wenn ich aber richte, so ist mein Richten gerecht; denn ich bin's nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat.

Liebe Gemeinde!
„Ich bin das Licht der Welt“. Ach, was ist das für ein schöner Satz. Das finde ich richtig gut und herzerwärmend, dass wir Weihnachten in dieser dunklen Jahreszeit feiern. Da geht dieser Satz gleich nochmal viel mehr zu Herzen. Jesus sagt: Ich bin das Licht der Welt.
Um das zu feiern, haben wir Lichter angezündet in diesen Tagen. Schon seit Wochen werden es immer mehr Lichter am Adventskranz, in Vorbereitung auf dieses Wunder: Das Licht kommt in die dunkle Welt! Und vorgestern haben wir die Kerzen am Weihnachtsbaum angezündet. Jesus, das Licht der Welt, macht unsere dunkle Welt hell!

Findest du nicht, dass man nach 2000 Jahren mal ein bisschen was sehen sollte von diesem Licht der Welt? Ich seh da nämlich nicht viel davon. Nur eine Kerze anzuzünden reicht mir irgendwie nicht aus. Schau dir doch an, was dieses Jahr wieder alles passiert ist. Das Erdbeben in Haiti. Terroranschläge an den verschiedensten Orten. Und Nord- und Südkorea stehen kurz vor einem Krieg. Das Licht der Welt? Ist die Welt nicht immer noch genau so dunkel wie damals, wenn nicht sogar dunkler?

Ja, du hast Recht. Unsere Welt scheint auf den ersten Blick nicht wirklich heller geworden zu sein. Gott ist nicht in die Welt gekommen und hat auf einen Schlag alles Leid abgeschafft und alle Trauer beseitigt.

Scheint ja doch ein ziemlich kleines Licht zu sein, dieses Licht der Welt.

In gewisser Weise: Ja. Schau es dir doch an: Jesus kommt nicht als König in die Welt, sondern als ein kleines Kind von armen, einfachen Eltern. Im Stall in einer Krippe liegt er. Ja, das ist wirklich ein ziemlich kleines, unscheinbares Licht der Welt.

Ist das dann nicht ein bisschen arg hoch gegriffen, dieser Satz: „Ich bin das Licht der Welt“? Vielleicht hätte er besser sagen sollen „Ich bin eine kleine Kerze, die versucht, die Dunkelheit ein bisschen zu erhellen“?

Nein. Ich glaube: Jesus ist wirklich etwas ganz Außergewöhnliches. Nur wir haben einfach falsche Vorstellungen davon, was und wie das „Licht der Welt“ sein sollte. Gott verändert die Welt. Aber er tut das anders, als wir uns das vorstellen.

Nämlich wie?

Gott verändert die Welt nicht irgendwie von oben herab. Er kommt ganz klein in die Welt. Du hast schon Recht: Eher wie eine Kerze, die in der Dunkelheit brennt. Aber sei mal ehrlich: So eine einzelne Kerze in der Dunkelheit ist doch auch was viel Schöneres als ein Halogenstrahler, der alles bis ins letzte Eck ausleuchtet.

Ja, das schon. Aber für die Welt würde ich mir doch eher so einen Halogenstrahler wünschen. Da gibt's einfach viel zu viel Dunkelheit.

Da brauchen wir gar keinen Strahler dafür. Es reicht, dass das Licht da ist. An einer Kerze kann man doch eine weitere anzünden. Und dann noch eine. Jesus lädt uns ein, es ihm nachzumachen. „Nachfolgen“ nennt er das. Schau dir doch den zweiten Satz unseres Predigttextes an: „Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Wir haben so viele Milliarden Christen auf der Welt; da müsste die Welt doch eigentlich etwas heller werden!

Ja, das stimmt. Vielleicht wissen sie nicht so recht, wo sie anfangen sollen?

Gerade ihr Katholiken habt doch eine ganze Menge Vorbilder, die gezeigt haben, wie das geht: Dieses Jesus Nachfolgen.

Ja: Ein ganz großes Beispiel haben wir ja gerade in der Lesung gehört: Von Stefanus, der sich für seinen Glauben hat steinigen lassen. Aber das ist für uns doch ziemlich weit weg, sozusagen eine Nummer zu groß. Was wir brauchen, sind keine solchen „großen“ Vorbilder, wie etwa auch die Mutter Theresa. Wir brauchen Modelle, wie wir unseren Glauben hier leben können. Ich denke dabei an eine Frau, die ich erst letzte Woche beerdigen musste. Die hat hier immer mit einer großen Fröhlichkeit in der Gde# gewirkt. Das war für mich so ein Modell im Glauben. 

Wir Evangelischen haben ja immer so unsere Probleme mit den Heiligen. Aber so, als Modelle im Glauben, kann ich sie auch gut annehmen. Da würden mir auch auf Anhieb ein paar einfallen. Ich denke gerade an eine Frau, die mit 97 Jahren immer noch jeden Tag ins Altersheim geht u sich um ihre „Altchen“ kümmert, wie sie sie nennt. Sie liest ihnen Geschichten vor, singt u betet mit ihnen, alles aus ihrem persönlichen Glauben heraus. Aber besonders wichtig finde ich, selbst einen eigenen Glaubensweg zu finden. Das Licht der Welt weiterzugeben an andere. Damit unsere Welt nicht nur an Weihnachten ein bisschen heller wird. Und damit die Menschen diese Freude wieder spüren: Das Licht der Welt ist zu uns gekommen.

Amen.

 

Die Schneekatastrophe ist da.

Seit Tagen warnen die Wetterexperten vor dem Schneechaos in Deutschland. Nun ist es da. Geschlagene neun Zentimeter habe ich heute vor meiner Haustür gemessen. Ja, und auch mein Stadtbus hatte unverschämte vier Minuten Verspätung. Gut, dass ich mich entsprechend warm angezogen habe, sonst wäre ich vermutlich in der Zwischenzeit erfroren.

Nein, mal ganz ernsthaft: Ich weiß natürlich, dass Schweinfurt jetzt nicht so wirklich die Schnee-Ecke Deutschlands ist. Ohne Frage ist es anderswo schlimmer. Und ohne Frage ist es tragisch, ja katastrophal, wenn Menschen zu Schaden oder gar ums Leben kommen.

Trotzdem sehe ich die Berichterstattung über den Winter mit großer Sorge. Denn ich kann solche „Katastrophenmeldungen“ irgendwann einfach nicht mehr ernst nehmen. Wegen zehn Zentimetern fällt nun also in ganzen Landkreisen die Schule aus – in Schweinfurt nicht. Ich kann's verstehen in Schonungen: Da liegt die Schule ganz oben am Berg, möglicherweise kommen die Schulbusse gar nicht hoch. Dort fällt der Unterricht heute tatsächlich aus. Aber sonst?

Leute, wir haben Winter. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich als Kind in Mittelfranken oft so bis zu 30 Zentimeter Schnee gemessen. Und nie ist die Schule ausgefallen. 

Wir haben Winter. Haben wir uns in den letzten Jahrzehnten einfach zu weit von der Vorstellung entfernt, dass wir eben nicht alles im Griff haben? Die Räumdienste kommen nicht nach, also wird auf die Räumdienste geschimpft statt einfach mal Verständnis zu haben, dass die nicht überall sein können. Die Straßen sind glatt, trotzdem fahren manche, als wäre die Straße trocken wie im Hochsommer.

Unsere Kinder müssen maximal 20 Minuten auf den Schulbus warten, dann dürfen sie wieder heim. @Pfarrerb schrieb vorhin auf Twitter: „bei mir waren es vor 45 Jahren 60 Minuten auf den Bus warten!“

Ich möchte jetzt nicht diese gute alte Diskussion anzetteln von wegen, früher war der Schnee besser und sowieso die gute alte Zeit. Aber ich frage mich: Sind wir zu verweichlicht? Sind wir zu sehr eingepackt in Airbags, Sicherheitsvorschriften, Rücksichtnahme auf Befindlichkeiten, als dass wir das überhaupt noch wahrnehmen können: Die Natur hat uns im Griff. Nicht umgekehrt.

Es ist Winter, Leute. Das ist keine Katastrophe. Das ist normal. Richtet euch doch einfach drauf ein.

Die wirklichen Katastrophen, die sind nämlich ganz woanders. Die wirklichen Katastrophen:

  • Dass in unserem reichen Land Menschen vor Kälte sterben
  • Dass bei uns so viele Kinder unter der Armutsgrenze leben
  • Dass weltweit alle paar Sekunden ein Kind an Hunger oder den Folgen von Unterernährung stirbt

Vielleicht könnte da mal jemand einen Räumdienst vorbeischicken. Damit diese Katastrophen beseitigt werden.

Danke und einen schönen Winter.