Ich steh an deiner Krippen hier - Weihnachtspredigt

Predigt an Weihnachten

Remlingen, 24.12.97; Billingshausen, 25.12.97; Üttingen, 26.12.97; Unteraltertheim, 28.12.97; Gochsheim, 25.12.99; Sennfeld, 26.12.99; Schwebheim, 26.12.2009 

Text: Ich steh an deiner Krippen hier, EG 37
 

  1. Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben; ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles hin und laß dir´s wohlgefallen.
  2. Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt, erkoren. Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wolltest werden.
  3. Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne, die Sonne, die mir zugebracht Licht, Leben, Freud und Wonne. O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht´, wie schön sind deine Strahlen!
  4. Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht sattsehen; und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen. O daß mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weiters Meer, daß ich dich möchte fassen!
  5. Wann oft mein Herz im Leibe weint und keinen Trost kann finden, rufst du mir zu: »Ich bin dein Freund, ein Tilger deiner Sünden. Was trauerst du, o Bruder mein? Du sollst ja guter Dinge sein, ich zahle deiner Schulden.«
  6. O daß doch so ein lieber Stern soll in der Krippen liegen! Für edle Kinder großer Herrn gehören güldne Wiegen. Ach Heu und Stroh ist viel zu schlecht, Samt, Seide, Purpur wären recht, dies Kindlein drauf zu legen
  7. Nehmt weg das Stroh, nehmt weg das Heu, ich will mir Blumen holen, daß meines Heilands Lager sei auf lieblichen Violen; mit Rosen, Nelken, Rosmarin aus schönen Gärten will ich ihn von oben her bestreuen.
  8. Du fragest nicht nach Lust der Welt noch nach des Leibes Freuden; du hast dich bei uns eingestellt, an unsrer Statt zu leiden, suchst meiner Seele Herrlichkeit durch Elend und Armseligkeit; das will ich dir nicht wehren.
  9. Eins aber, hoff ich, wirst du mir, mein Heiland, nicht versagen: daß ich dich möge für und für in, bei und an mir tragen. So laß mich doch dein Kripplein sein; komm, komm und lege bei mir ein dich und all deine Freuden.

Liebe Gemeinde!
Advents- und Weihnachtszeit, das ist eine Zeit, auf die ich mich schon allein wegen der schönen Lieder jedes Jahr neu freue. Weihnachten ohne Weihnachtslieder? Das kann ich mir kaum vorstellen. Es wird ja auch im Verlauf eines Jahres kaum einmal so viel gesungen wie jetzt an Weihnachten. Und das ist wohl kein Zufall. Wie sonst sollten wir die Freude von Weihnachten weitertragen? Wir können sie wohl nur weitererzählen und vor allem weitersingen. So sind eigentlich unsere Weihnachtslieder die beste Weihnachtspredigt. Eine Reihe von ihnen haben wir heute schon gesungen und gehört. Und deshalb möchte ich heute auch in der Predigt nichts anderes tun, als eines dieser Weihnachtslieder auszulegen, in Ihnen zum Klingen zu bringen.

Sie kennen das Lied, wir haben gerade die ersten vier Strophen gesungen. "Ich steh an deiner Krippen hier". 

Ich möchte Sie einladen, mit mir mitzukommen, heute an Weihnachten. Kommen Sie mit mir zu einem Stall im kleinen, überfüllten Betlehem. Überall herrscht Hochbetrieb, viele Menschen sind zur Volkszählung zusammengekommen. Doch der Stall liegt etwas abseits. Hier herrscht Ruhe. Ab und zu schnaubt ein Tier, vielleicht ein Ochse oder Esel. Maria ist nach der anstrengenden Geburt erschöpft, Josef hat das neugeborene Kind in eine Futterkrippe gelegt, auf Heu und Stroh.

Leise und staunend stehen die Hirten da. Leise und staunend stehen auch wir vor der Krippe. Sicher haben Sie eine Krippe vor Augen, vielleicht eine, die bei Ihnen zu Hause steht, oder in Ihrem Elternhaus stand, oder vielleicht die hier in der Kirche. Da liegt es, das Kind in der Krippe. Klein und verletzlich. Was kann nicht alles passieren in diesem Leben? Staunend stehen wir davor, wie Eltern ihr neugeborenes Kind bestaunen, und wir denken darüber nach, was dieses Kind, was Jesus für uns bedeutet. Und vielleicht stimmen wir dann mit dem Liederdichter Paul Gerhardt ganz leise an, was wir gerade gesungen/gehört haben:


1.Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben; ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles hin und laß dir´s wohlgefallen.

Ja, Jesus, hier stehen wir. So, wir wir eben sind. Beladen mit allen unseren Ängsten, Wünschen, Hoffnungen, mit unseren geheimsten Gedanken. Wir spüren, daß hier, in dieser Nacht, etwas Besonderes geschieht, und können es doch nicht so ganz begreifen. Jesus, was können wir Dir schon mitbringen, was können wir dir schenken? Gold, Weihrauch und Myrrhe haben wir nicht. Was wir haben, ist unser Leben. Unser Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut. Wird es dir gefallen? Unser Geist, so voller Gedanken über Weihnachtsgeschenke, Urlaub, Tannenbaum, vielleicht auch voller Ärger. Unser Herz, oft schwer wie ein Stein. Unser Mut, der oft so klein ist. Doch dann erinnern wir uns daran, daß du selbst ja auch genauso menschlich gelebt hast. Du bist Mensch geworden, dir ist das alles nicht fremd. Schon lange, lange Zeit vor unserer Geburt hast du für uns gesorgt. Lange Zeit vor unserer Geburt bist du Mensch geworden, um für uns zu sorgen. So, wie es Paul Gerhardt in der zweiten Strophe schreibt:

2.Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt, erkoren. Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wolltest werden.

Jesus ist ganz Mensch geworden. Ein Mensch wie wir. Kein Leid ist ihm fremd, von der vollen Windel bis zur Dornenkrone und zum qualvollen Tod am Kreuz. Deshalb können wir darauf vertrauen, daß er gerade auch dann bei uns ist, wenn wir es am wenigsten vermuten. Dann, wenn es uns schlecht geht. Wenn wir nicht weiterwissen, wenn uns der Mut fehlt, weiterzuleben. Wenn wir in tiefster Todesnacht liegen, wie Paul Gerhardt es ausdrückt. Dann können wir sicher sein: In Jesus kommt Gott uns Menschen ganz nahe, will in den Dunkelheiten unseres Lebens unser Freund und Begeleiter sein. In Jesus ist Gott Mensch geworden, und seine Gegenwart erhellt unser Leben. Mitten hinein in diese Dunkelheit kommt Jesus zu uns. Mitten in der dunkelsten Nacht des Jahres können wir ein Licht anzünden, weil Jesus bei uns ist.

3.Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne, die Sonne, die mir zugebracht Licht, Leben, Freud und Wonne. O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht´, wie schön sind deine Strahlen!
 

Jesus, das Licht der Welt, kommt an Weihnachten zu uns. Wir können nur darüber staunen, daß Gott Mensch geworden ist. Wir können nur dastehen und nichts weiter dazutun. Gott tut alles für uns. Ich glaube, wirklich begreifen kann das kein Mensch. Niemand kann wirklich verstehen, warum Gott das für uns auf sich nimmt:

4.Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht sattsehen; und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen. O daß mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weiters Meer, daß ich dich möchte fassen!

Lassen Sie uns gemeinsam die nächsten vier Strophen singen, bevor wir über sie noch ein wenig nachdenken.
 

5.Wann oft mein Herz im Leibe weint und keinen Trost kann finden, rufst du mir zu: »Ich bin dein Freund, ein Tilger deiner Sünden. Was trauerst du, o Bruder mein? Du sollst ja guter Dinge sein, ich zahle deiner Schulden.«
 

Vom andächtigen Staunen kehrt Paul Gerhardt in der fünften Strophe zurück in den Alltag. Dorthin, wo dieser Alltag von Not und Sorgen überschattet ist. Das ist wohl die unbekannteste Strophe in diesem Lied. Sie wird selten gesungen. Vielleicht, weil wir an Weihnachten nichts von Kummer und Leid hören wollen? Weihnachten soll ein Fest der Freude sein. Friede, Harmonie. Wir lassen uns einhüllen von einem Gefühl der Wärme und Geborgenheit. Kerzen, Tannenbaum, Geschenke, gutes Essen: Weihnachten als ein Fest zum Wohlfühlen, ein Fest, an dem Gott zu uns kommt, und dann wird alles gut.
 

Zu gern vergessen wir, was aus diesem kleinen Jesulein in der Krippe geworden ist. Es ist nicht immer klein und putzig geblieben, und die Welt wurde nicht einfach plötzlich gut. Das Leiden hat nicht aufgehört. Im Gegenteil: Es hat Jesus eingeholt. Jesus hat selbst dieses Leid gespürt. Nach seiner Gefangennahme wurde er von den Soldaten gequält und verspottet. Und schließlich endete sein Leben qualvoll am Kreuz.
 

Ohne das, was an Karfreitag geschehen ist, wäre Weihnachten sinnlos. Wenn Gott einfach nur als süßes, putziges Jesulein auf die Welt gekommen wäre, dann hätte das nichts bewirkt. Denn unsere Welt ist nicht so, auch wenn wir uns das oft genug wünschen: ohne Leid und Schmerz, ohne Trauer, ohne Abschiede.
 

Gott ist ganz Mensch geworden. Er hat das alles selbst erlebt: die Trauer und den Schmerz, auch den Tod. Nichts, was wir erleben, ist ihm fremd. Das ist es, was wir an Weihnachten feiern können: Wir feiern, daß Gott so Mensch geworden ist, daß er selbst gelitten hat und gestorben ist. Gott selbst ist gestorben! Gott hat fürchterliche Schmerzen am Kreuz ertragen müssen! Deshalb können wir uns auch sicher sein, daß er bei uns ist, gerade auch dann, wenn wir uns am meisten von ihm verlassen fühlen. Wenn wir um unseren Arbeitsplatz bangen müssen, oder Ärger in der Familie haben. Oder wenn wir von einem lieben Menschen Abschied nehmen müssen. Gott weiß, wie das ist. Er mutet uns nichts zu, was er nicht selbst durchgemacht hätte. Er ist gerade dann unser Freund, und gerade deshalb, weil Gott unser Freund geworden ist, können wir überhaupt Weihnachten feiern. Dann können wir guter Dinge sein, so wie es Paul Gerhardt in der 5. Strophe schreibt.
 

Paul Gerhardt verwendet ein schönes Bild dafür, wie groß dieses Geschenk ist, das Gott uns gibt. Das Bild, das er verwendet, kommt mir vor wie aus einem Liebeslied entnommen: Er nennt Jesus seinen "lieben Stern", der da in der Krippe liegt. Aus der ganzen Strophe, ja sogar aus den nächsten zwei Strophen spricht die Liebe zu diesem Jesuskind:
 

6.O daß doch so ein lieber Stern soll in der Krippen liegen! Für edle Kinder großer Herrn gehören güldne Wiegen. Ach Heu und Stroh ist viel zu schlecht, Samt, Seide, Purpur wären recht, dies Kindlein drauf zu legen!
 

Doch halt - Jesus in Samt und Seide? In einer goldenen Wiege? Jesus ist zu den Armen, zu den Verachteten zuerst gekommen, auch wenn er die Reichen deswegen nicht verbannt hat. Im Stall ist er zur Welt gekommen, arme Hirten waren seine ersten Besucher, erst später kamen die Könige dazu. Und die Armen haben einen Schmuck, der viel besser zu einem kleinen Kind paßt:
 

7.Nehmt weg das Stroh, nehmt weg das Heu, ich will mir Blumen holen, daß meines Heilands Lager sei auf lieblichen Violen; mit Rosen, Nelken, Rosmarin aus schönen Gärten will ich ihn von oben her bestreuen.
 

Die Liebe Paul Gerhardts zu diesem Kind in der Krippe spricht aus diesen beiden Strophen. So schön wie möglich möchte er Jesu Lager machen. Doch dann besinnt er sich noch einmal auf den Weg Jesu, der eben so gar nicht der Weg eines Fürstenkindes ist, sondern der Weg für mich, an meiner Seite, für meine Not:
 

8.Du fragest nicht nach Lust der Welt noch nach des Leibes Freuden; du hast dich bei uns eingestellt, an unsrer Statt zu leiden, suchst meiner Seele Herrlichkeit durch Elend und Armseligkeit; das will ich dir nicht wehren.
 

Das alles, womit Paul Gerhardt die Krippe schön machen will - es ist zwar schön, aber nicht wichtig. Jesus sucht nicht das Schöne, sondern das Leid. Unser Leid. Denn er möchte es tragen, für uns. Können wir ihm das verwehren? Können wir nicht vielmehr nur darauf hoffen und vertrauen, daß er wirklich immer bei uns ist?
 

9.Eins aber, hoff ich, wirst du mir, mein Heiland, nicht versagen: daß ich dich möge für und für in, bei und an mir tragen. So laß mich doch dein Kripplein sein; komm, komm und lege bei mir ein dich und all deine Freuden.
 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen. 

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eine gute Predigt! Christine S.